Vaskulitis – Ursachen, Symptome und Behandlung
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Eine Vaskulitis bezeichnet verschiedene Erkrankungen, die alle mit einer autoimmun bedingten Gefäßentzündung unterschiedlicher Lokalisation und Schwere einhergehen.
Dabei können sowohl große als auch kleine Gefäße betroffen sein und die Erkrankungen können in der Folge zu schweren Organschäden führen.
Vaskulitiden sind seltene Erkrankungen, die ganz unterschiedliche Beschwerden hervorrufen können. In diesem Text sollen Sie und Ihr:e Angehörige:r einen Überblick über die häufigsten Vaskulitis Formen, deren Symptomatik und Behandlung erhalten.
Vaskulitis – Definition
Unter einer Vaskulitis versteht man eine Gruppe von verschiedenen Erkrankungen, die allesamt mit einer Gefäßentzündung einhergehen. Dabei können verschiedenste Gefäße und Organe von der Erkrankung betroffen sein und somit zu sehr unterschiedlichen Beschwerdebildern bei den Betroffenen führen.
Vaskulitiden gehören zu den seltenen Erkrankungen. In Deutschland sind ungefähr 200 Menschen pro eine Million Einwohner betroffen. Die verschiedenen Formen der Vaskulitis kommen bei den Altersgruppen mit unterschiedlicher Häufigkeit vor.
Anhand der betroffenen Gefäße kann man die Vaskulitiden gemäß der Chapel Hill Klassifikation in verschiedene Untergruppen einteilen:
- Vaskulitis der großen Gefäße (vor allem die Aorta mit ihren Abgängen und den dazugehörigen Venen ist erkrankt)
- Vaskulitis mittlerer Gefäße (hier sind die wichtigsten Hauptarterien sowie deren Venen entzündet)
- Vaskulitis der kleinen Gefäße (kleine Arterien, Arteriolen, Kapillaren und Venolen sind betroffen)
- Vaskulitiden von Gefäßen mit verschiedener Größe
- Einzelorganvaskulitis (hier ist bevorzugt ein Organ betroffen)
- Sekundäre Vaskulitiden (Gefäßentzündungen im Rahmen anderer Erkrankungen oder Ursachen)
Je nachdem, welche Gefäße und Organe von der Erkrankung betroffen sind, variieren die Beschwerden, Diagnostik und die Therapie des Krankheitsbildes.
In unserem Übersichtsartikel „Durchblutungsstörungen – Ursachen, Symptome und Behandlung“ können Sie alles Wissenswerte zu den weiteren Arten von Durchblutungsstörungen nachlesen.
Vaskulitis – Ursachen
Vaskulitiden können anhand der Ursache in primäre und sekundäre Vaskulitiden unterteilt werden.
Bei der primären Vaskulitis liegt keine ursächliche Grunderkrankung vor. Es handelt es sich um eine eigenständige Autoimmunerkrankung. Die genaue Ursache der autoimmunen Reaktion ist bis heute unklar.
Die sekundären Vaskulitiden entwickeln sich hingegen durch Medikamente, Infektionen oder im Rahmen von systemischen Autoimmunerkrankungen wie einer Rheumatoiden Arthritis oder einem systemischen Lupus erythematodes (SLE).
Die Gefäßentzündungen können verschiedene Schädigungen an den betroffenen Regionen auslösen. Vaskulitiden können somit zur Ausbildung von Verengungen der Gefäße (Stenosen), Aussackungen (Aneurysmen), Gefäßverschlüssen und einer erhöhten Durchlässigkeit der Gefäßwände führen.
Vaskulitis – Formen
Es existieren viele verschiedene Formen der Vaskulitis. Diese können anhand der oben vorgestellten Klassifikation eingeteilt werden.
Zu den wichtigsten Vaskulitiden gehören unter anderem:
Vaskulitiden der großen Gefäße
- Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis)
- Takayasu-Arteriitis
Vaskulitiden der mittelgroßen Gefäße
- Polyarteriitis nodosa (Panarteriitis nodosa)
- Kawasaki-Syndrom
Vaskulitiden der kleinen Gefäße
- ANCA-assoziierte Vaskulitiden
- Granulomatose mit Polyangiitis (Wegener-Granulomatose)
- Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (Churg-Strauss-Vaskulitis)
- Mikroskopische Polyangiitis
- Immunkomplex-Vaskulitiden (Leukozytoklastische Vaskulitiden)
- Purpura Schönlein-Henoch (IgA-Vaskulitis)
Vaskulitiden von Gefäßen variabler Größe
- Morbus Behcet
Einzelorganvaskulitis
- Kutane leukozytoklastische Angiitis
Vaskulitiden der großen Gefäße
Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis)
Die Riesenzellarteriitis ist die häufigste Vaskulitis. Meist sind Frauen ab dem 50. Lebensjahr betroffen. Die typischen Symptome der Erkrankung sind starke Kopfschmerzen und Schmerzen beim Kauen, eine verhärtete oder druckschmerzhafte Arterie an der Schläfe (A. temporalis) sowie bei einer Augenbeteiligung Sehstörungen.
Zusätzlich liegt bei der Arteriitis temporalis häufig eine Polymyalgia rheumatica mit Schmerzen in der Schulter- und/oder Hüftregion vor.
Bei Verdacht auf eine Riesenzellarteriitis muss umgehend eine Kortisontherapie eingeleitet werden, da ansonsten eine Erblindungsgefahr besteht.
Takayasu-Arteriitis
Die Takayasu-Vaskulitis betrifft vor allem junge Frauen zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr. Die Gefäßentzündung ist an der Aorta und ihren Abgängen lokalisiert und geht mit Durchblutungsstörungen der betroffenen Regionen einher. Auch Hautveränderungen sind häufig.
Vaskulitiden der mittelgroßen Gefäße
Polyarteriitis nodosa (Panarteriitis nodosa)
Unter der Polyarteriitis nodosa versteht man eine Gefäßentzündung der mittelgroßen Gefäße. Neben unspezifischen Symptomen können auch die Herzkranzgefäße betroffen sein und zu einem Herzinfarkt führen.
Häufig ist die Erkrankung mit einer Hepatitis B oder C Infektion assoziiert.
Kawasaki-Syndrom
Diese Erkrankung betrifft meist kleine Kinder unter 5 Jahren und ist definiert durch eine Gefäßentzündung mittelgroßer und kleiner Arterien. Typische Beschwerden der Erkrankung sind eine stark gerötete Zunge (sog. Erdbeerzunge), Hautauschläge, Fieber und eine Bindehautentzündung.
Eine lebensbedrohliche Komplikation können Spasmen der Herzkranzgefäße sein. Eine frühzeitige Therapie ist somit entscheidend.
Vaskulitiden der kleinen Gefäße
Vaskulitiden der kleinen Gefäße werden in ANCA-assoziierte Vaskulitiden und Immunkomplex-Vaskulitiden unterteilt.
Unter den ANCA-assoziierten Formen versteht man Vaskulitiden bei den antineutrophile zytoplasmatische Antikörper (kurz: ANCA) nachweisbar sind. Diese richten sich gegen bestimmte Proteine von weißen Blutkörperchen.
Bei der Immunkomplex-Vaskulitis, auch leukozytoplastische Vaskulitis genannt, kommt es zur Ablagerung von Immunkomplexen bestehend aus Antikörpern und Antigenen an der Gefäßwand. Diese können dann dort eine Entzündung auslösen.
ANCA-assoziierte Vaskulitiden
Granulomatose mit Polyangiitis (Wegener-Granulomatose)
Bei dieser Erkrankung kommt es zu einer Entzündung der mittelgroßen und kleinen Gefäße mit lokalem Absterben (Gewebsnekrose).
Meist sind ältere Menschen ab dem 50. Lebensjahr von der Erkrankung betroffen. Die typischen Symptome betreffen meist die Atemwege und umfassen blutigen Schnupfen sowie das Ausbilden einer Sattelnase.
Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (Churg-Strauss-Vaskulitis)
Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine ANCA Vaskulitis. Hauptbeschwerden sind bei dieser Form schwere allergische Asthmaanfälle.
Mikroskopische Polyangiitis
Die Mikroskopische Polyangiitis gehört zu den Gefäßentzündungen der kleinen Gefäße und betrifft vor allem die Nieren und die Lunge.
Immunkomplex-Vaskulitiden (Leukozytoklastische Vaskulitiden)
Purpura Schönlein-Henoch (IgA-Vaskulitis)
Die Purpura Schönlein-Henoch Vaskulitis (IgA-Vaskulitis) gehört zu den Immunkomplex-Vaskulitiden. Meist tritt die Erkrankung bei Kindern nach einer Infektion der Atemwege auf. Es kann hier zu Hauteinblutungen (Purpura) vorwiegend als Vaskulitis der Beine, Gelenkschwellungen (Arthritis)Bauchschmerzen und Blut im Stuhl kommen. Bei einigen Betroffenen ist auch die Niere betroffen. Die Prognose ist in der Regel gut.
Vaskulitiden von Gefäßen variabler Größe
Morbus Behcet
Diese Vaskulitis Form tritt in Schüben auf und zeigt sich meist durch orale Aphthen, Hautveränderungen, Geschwüre im Genitalbereich sowie auch eine Beteiligung der Augen.
Die Erkrankung tritt gehäuft in der Türkei auf.
Einzelorganvaskulitis
Kutane leukozytoklastische Vaskulitis
Hierbei handelt es sich um eine Vaskulitis der kleinen Gefäße der Haut. Es kommt zu verschiedensten Veränderungen der Haut wie der Ausbildung von Hauteinblutungen (Purpura), Nekrosen (lokaler Gewebstod) sowie Geschwüren (Ulzera).
Vaskulitis – Symptome
Eine Vaskulitis zeigt sich im Anfangsstadium meist durch sehr unspezifische Allgemeinsymptome. Diese können sich bei jeder Form der Gefäßentzündung zeigen und umfassen:
- Fieber
- Krankheitsgefühl und reduzierte Belastbarkeit
- Nachtschweiß
- Gliederschmerzen
- Gewichtsverlust
Im Krankheitsverlauf präsentieren sich Vaskulitiden dann mit sehr unterschiedlichen Symptomen, die von den betroffenen Gefäßen und Organen abhängig sind.
Mögliche spezifische Vaskulitis Symptome können demnach abhängig von der Gefäßgröße Folgende sein:
Vaskulitiden der großen Gefäße
- Kopfschmerzen bei Befall der Halsschlagadern und seiner Äste
- Verschluss der Hauptschlagader (Aortenbogensyndrom)
- Durchblutungsstörung des Gehirns (Subclavian-Steal-Syndrom)
- Blutgerinnsel (venöse Thromben zum Beispiel im Rahmen einer Venenentzündung (Thrombophlebitis))
Vaskulitiden der mittelgroßen Gefäße
- Organinfarkte zum Beispiel Herzinfarkt, Niereninfarkte, Schlaganfälle
Vaskulitiden der kleinen Gefäße
- Vaskulitis der Haut mit Hauteinblutungen (Purpura), Hautveränderungen wie Urtikaria bei Vaskulitis, Knötchen und Geschwüren
- Sehstörungen und Doppelbilder bei Augenbeteiligung
- Schwindel, Hörsturz, Kribbeln
- Bluthusten (Hämoptysen)
- Blut im Stuhl, Blut im Urin
Da die genannten Beschwerden häufig auch andere Ursachen haben könnten, ist bei Verdacht auf eine Vaskulitis meist eine weitere Diagnostik notwendig.
Bemerken Sie bei sich oder Ihren Angehörigen eines der genannten Symptome zögern Sie nicht Ihre:n behandelnde:n Ärztin oder Arzt anzusprechen. Diese:r wird Sie und Ihre:n Angehörige:n bezüglich der notwendigen weiteren Schritte beraten und aufklären.
Vaskulitis – Diagnostik
Die Vaskulitis Diagnostik ist selbstverständlich stark abhängig von der jeweiligen Verdachtsdiagnose.
Ihr:e behandelnde:r Ärztin oder Arzt wird zunächst ein ausführliches Anamnesegespräch und eine körperlichen Untersuchung durchführen. Anschließend spielt vor allem die Blutuntersuchung eine wichtige Rolle. Hier können die Organfunktionen wie Leber- und Nierenwerte, Entzündungsparameter und Autoantikörper (ANCA) bestimmt werden. Die Vaskulitis Blutwerte zeigen häufig erhöhte Entzündungsparameter, erhöhte Werte an Blutplättchen und eine Anämie (Blutarmut).
In den meisten Fällen ist zudem eine Urinuntersuchung notwendig, um eine Beteiligung der Niere auszuschließen.
Bei Verdacht auf eine systemische Vaskulitis wird Ihr:e betreuende:r Ärztin oder Arzt Sie gegebenenfalls weiter zu einem Facharzt oder einer Fachärztin für Rheumatologie überweisen, welcher die Vaskulitis behandelt und diagnostiziert. Diese:r wird Sie und Ihre Angehörigen über die weiteren notwendigen Schritte aufklären.
Vaskulitis – Behandlung
Die Behandlung der Vaskulitis variiert je nach Form und Schwere der Erkrankung.
Bei sekundären Gefäßentzündungen zielt die Behandlung auf die Ursache der Erkrankung ab.
Die primäre Vaskulitis wird hingegen mit immunsuppressiven Medikamenten behandelt. Wichtige Immunsuppressiva in der Therapie der primären Vaskulitis sind vor allem Kortikosteroide (Kortison) als auch weitere immunsuppressive Substanzen wie Cyclophoshamid. Je nach Schwere der Gefäßentzündung variieren die Medikamente und die Dosis der Substanzen. Ziel der Therapie ist zunächst die Einleitung und anschließend Aufrechterhaltung einer Remission. In der Regel erfolgt dafür zunächst eine Therapie mit einer hohen Dosis, um die Aktivität der Erkrankung zu reduzieren. Im Verlauf kann die Dosis des Medikamentes dann reduziert werden.
Einige Formen der Vaskulitis, beispielsweise mit ausgeprägter Nierenbeteiligung, erfordern eine sofortige Behandlung und sind als medizinischer Notfall zu betrachten.
Durch die Behandlung mit immunsuppressiven Substanzen hat sich die Lebensqualität und auch Lebenserwartung bei Vaskulitis enorm verbessert. Trotzdem kann die systemische Vaskulitis je nach Form und Schwere der Erkrankung zu einer verkürzten Lebenserwartung führen.
Vaskulitis – Vorbeugung
Die genaue Ursache von primären Vaskulitiden ist unklar, sodass vorbeugende Maßnahmen hierbei keine Rolle spielen.
Um Folgeschäden und Komplikationen von Gefäßentzündungen zu vermeiden ist somit vor allem eine frühzeitige Diagnostik und Therapie der Erkrankung entscheidend. Bemerken Sie bei sich oder einem Ihrer Angehörigen eines der oben genannten Symptome, zögern Sie deshalb nicht Ihre:n behandelnde:n Ärztin oder Arzt aufzusuchen. Diese:r kann die Beschwerden einordnen und bei Bedarf eine Diagnostik und Therapie initiieren.
Weitere interessante Artikel zum Thema Durchblutungsstörungen:
Quellen:
Herold, G. (2017). Mitarb. Innere Medizin: eine vorlesungsorientierte Darstellung; unter Berücksichtigung des Gegenstandskataloges für die Ärztliche Prüfung; mit ICD 10-Schlüssel im Text und Stichwortverzeichnis.
Störk, T., Zeh, G., Leschke, M., Kröger, K., Braun, R., & Gareis, R. (2017). Vaskulitiden: neue Klassifikation und Diagnostik. Med Welt, 67, 17-21.
Amboss: Vaskulitiden
MSD Manuals: Übersicht zur Vaskulitis
Wissen in der Box: Vaskulitis
Vaskulitiden umfassen verschiedene Erkrankungen, die allesamt mit einer Gefäßentzündung einhergehen. Es können unterschiedliche Gefäße und Organe betroffen sein.
Die genaue Ursache der primären Vaskulitis ist unklar. Sekundäre Formen können durch Medikamente, Infektionen und andere Autoimmunerkrankungen ausgelöst werden.
Es gibt viele verschiedene Vaskulitis Formen mit jeweils unterschiedlichen Symptomatiken. Sie können anhand der Chapel Hill Klassifikation eingeteilt werden.
Die Symptomatik hängt von den betroffenen Gefäßen ab. Zusätzlich können Symptome wie Fieber, Krankheitsgefühl, Nachtschweiß, Gewichtsverlust und Gliederschmerzen vorliegen.
Die Diagnose erfolgt über ein Anamnesegespräch, eine körperliche Untersuchung sowie Laboruntersuchungen. Gelegentlich sind weitere diagnostische Schritte notwendig.
Die sekundäre Vaskulitis wird ursächlich behandelt. Bei der primären Vaskulitis steht eine immunsuppressive Therapie im Vordergrund.
Es existieren keine präventiven Maßnahmen. Zur Vermeidung von Folgeschäden und Komplikationen ist eine frühzeitige Diagnostik und Therapie entscheidend.