Kinästhetik

Kinästhetik in der Pflege – Konzepte und Einsatzmöglichkeiten

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Juliane Liebeskind

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Pflegebedürftige Menschen sind häufig eingeschränkt in ihrer Bewegungsfreiheit. Je nach Ausmaß der Bewegungseinschränkung stellt diese eine zunehmende Herausforderung sowohl für Pflegende als auch für Pflegebedürftige dar. Durch das Konzept der Bewegungsförderung durch Kinästhetik können Pflegende und Pflegebedürftige unterstützt und entlastet werden. Im folgenden Text können Sie alle wichtigen Punkte zum Thema Kinästhetik und deren Einsatzmöglichkeiten, sowie die vielen Vorteile dieser Technik erfahren.

Inhalt

Kinästhetik – Definition

Unter Kinästhetik versteht man die Lehre von der Bewegungsempfindung. Das Wort Kinästhetik findet seinen Ursprung in den zwei altgriechischen Wörtern: kineō (bewegen) und aisthēsis (Wahrnehmung oder Erfahrung). Das Prinzip der Kinästhetik beruht auf der unbewussten Kontrolle und Steuerung unserer Bewegungen. Mit Hilfe der Kinästhetik sollen Bewegungen besonders wahrgenommen werden und so die Bewegungsempfindung verbessert werden kann. Die Kinästhetik findet insbesondere in der Pflege Anwendung.

Der oder die pflegende Angehörige kann die zu pflegende Person aktiv in die Bewegungsmuster mit einbinden und so die Bewegungsfreiheit und Kontrolle über den eigenen Körper steigern. Außerdem eignen sich die kinästhetischen Prinzipien nach der entsprechenden Schulung auch für die häusliche Pflege durch die Angehörigen.

Die Ziele der Kinästhetik

Die Ziele der Kinästhetik liegen in der Verbesserung der Bewegungsfreiheit und Selbstständigkeit. Pflegebedürftige sollen ihre Bewegungen insbesondere während der Pflege bewusst wahrnehmen und mit unterstützen, um so ihre eigene Mobilität beizubehalten.

Dies kann vor allem auch für Demenzkranke von Vorteil sein. Die Kinästhetik bietet eine Grundlage der Kommunikation und des Vertrauensaufbaus, auch wenn die kognitiven Fähigkeiten langsam abnehmen.

Außerdem soll durch die Kinästhetik die Eigenaktivität der Patient:innen verbessert werden und deren Bewegungsmöglichkeiten voll ausgeschöpft werden. Zusätzlich hat die Kinästhetik auch eine prophylaktische Wirkung. Durch regelmäßige und selbstständige Mobilisation können Druckgeschwüren (Dekubitus), Lungenentzündungen und Thrombosen vorgebeugt werden.

Des Weiteren werden die Selbstständigkeit und das Selbstwertgefühl durch Kinästhetik gesteigert. Patient:innen können zum Teil ihre Unabhängigkeit zurückgewinnen. Dies hat einen positiven Einfluss auf Motivation und Gemütszustand der Patient:innen. Außerdem werden durch die aktive Mitarbeit der Patient:innen auch die Pflegenden körperlich entlastet.

Konzepte der Kinästhetik in der Pflege

Das Konzept der Kinästhetik in der Pflege beruht auf der Unterstützung von Pflegebedürftigen in ihrer Selbstständigkeit. So wird Abhängigkeit und Hilflosigkeit vorgebeugt.
Im Allgemeinen lässt sich die Kinästhetik in sechs Grundkonzepten erklären:
  • Interaktion
  • Funktionale Anatomie
  • Menschliche Bewegung
  • Anstrengung
  • Menschliche Funktion
  • Umgebungsgestaltung

Durch die vertraute Interaktion zwischen der pflegenden Person und Patient:in können Bewegungsabläufe wieder neu erlernt und oder erhalten werden. Dabei führen beide gleichzeitig eine Bewegung durch. Je nach Ausmaß der Einschränkung wirkt der oder die Pflegende mehr oder weniger unterstützend. Dabei ist es wichtig zu wissen, wie viel Hilfe die betroffene Person benötigt, um die Bewegung möglichst selbstständig durchzuführen.

Um Patient:innen besonders gut entlasten zu können spielt die Verteilung der Kraft im Körper eine wichtige Rolle. Während Knochen sehr gut geeignet sind Gewicht zu tragen, ermüden Muskeln in der Regel schnell. Das Wissen um die funktionale Anatomie, können Pflegende bewusst und effektiv Kräfte und Massen verteilen.

Das Konzept der menschlichen Bewegung beschreibt die vorwiegend unterstützenden Bewegungsmuster, die Patient:innen gezielt lernen können, um die pflegende Person zum Beispiel bei der Lagerung zu unterstützen. Dadurch wird auch der oder die Pflegende entlastet.

Körperliche Anstrengung kann in der Kinästhetik gezielt dosiert werden. Durch das aktive Ziehen und Drücken insbesondere mit den Extremitäten wird der oder die Patient:in zur eigenständigen Bewegung animiert und der oder die Pflegende körperlich entlastet.

Die menschliche Funktion als Konzept der Kinästhetik beschreibt die Fähigkeit verschiedene Positionen (z.B. Rückenlage oder aufrecht sitzen) einzunehmen, indem das Gewicht verlagert wird. Dabei ist es wichtig, dass die Positionen für längere Zeit ohne große Anstrengung aufrecht erhalten werden können, um Pflegende und Pflegebedürftige zu entlasten.

Um alle Vorteile der Kinästhetik nutzen zu können ist es wichtig, dass auch die Umgebung an das Kinästhetik-Programm angepasst sind. Dabei können Möbel oder spezielle Pflegeutensilien zu Hilfsmitteln werden.

Vorteile der Kinästhetik in der Pflege

Die Vorteile der Kinästhetik sind sowohl für die Betroffenen als auch für den bzw. die Pflegende:n leicht ersichtlich. Der bzw. die Betroffene profitiert von Kinästhetik, indem die Selbstständigkeit gefördert und aufrechterhalten wird. Dabei wird nicht nur die körperliche Gesundheit unterstützt, sondern auch das mentale Befinden, durch ein gesteigertes Selbstwertgefühl, verbessert.

Die Vorteile für die pflegende Person ergeben sich hauptsächlich aus der körperlichen Entlastung. Jede Masse, die der bzw. die Betroffene selbst tragen kann, verringert die Anstrengung für die Pflegenden. Außerdem kann durch Kinästhetik die Kommunikation zwischen Patient:in und Pflegeperson verbessert werden.

Kinästhetische Mobilisation: Praxisbeispiele

Die kinästhetische Mobilisation kann im Alltag viele Erleichterungen schaffen. Ein Praxisbeispiel der Kinästhetik beschreibt die Übung des Aufstehens von einem Stuhl. Durch ruckartiges Ziehen können Schmerzen und sogar Verletzungen zugeführt werden.

Durch die Bewegung von Oberkörper und Kopf Richtung Boden wird das Gewicht verlagert und das Becken kann leichter vom Stuhl angehoben werden.

Auch beim Umdrehen und Lagern, kann Kinästhetik erleichternd wirken. Die pflegende Person signalisiert durch sanfte Berührungen in welche Richtung Bewegungen durchgeführt werden müssen. Durch die Umlagerung in kleinen Schritten, kann der oder die Patient:in je nach Möglichkeit durch eigene Muskelkraft mithelfen. Folgen die kinästhetischen Übungen in der Pflege den immer gleichen Mustern, können diese aktiv erlernt und zunehmend unterstützt werden.

Unterstützung beim Gehen

Menschen mit eingeschränkter Gehfähigkeit sollten trotzdem unbedingt zum eigenständigen Gehen animiert werden. Dadurch werden die Muskeln und das Bewegungsgedächtnis gefördert.

Um das Gehen kinästhetisch zu unterstützen ist es zunächst wichtig die Bewegungsrichtung kommunikativ abzustimmen. Der bzw. die Pflegende steht entweder seitlich oder frontal zu Patientin oder Patient und hält deren Hand. Je nach Ausmaß der Einschränkung kann zusätzlich der Unterarm gestützt werden. Auch das Tempo sollte unbedingt individuell angepasst werden.

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Unterstützung bettlägeriger Patienten

Die Unterstützung von bettlägerigen Patient:innen gestaltet sich in der Regel etwas schwieriger, da die Mobilität meist stark eingeschränkt ist. Bei der Mobilisation aus dem Bett ist es wichtig, dass keine Katheter, Kabel oder ähnliches im Weg sind. Auch wenn der oder die Patient:in nur eingeschränkt ansprechbar sind, sollte jede Bewegung angekündigt und erklärt werden. Der oder die Patient:in wird so nah wie möglich an die Bettkante gerutscht. Dann werden die Beine angewinkelt und sanft aus dem Bett bewegt. Durch leichte rotierende Bewegung des Oberkörpers kann der oder die Patient:in aufgerichtet werden. Beide Füße ruhen auf dem Boden während der oder die Patient:in sich kurz an der Bettkante sitzend ausruhen kann. Von dort aus kann der oder die Betroffene zum Beispiel vom Bett in den Rollstuhl mobilisiert werden. Dafür wird der Rollstuhl neben das Bett gestellt und mit dem Bett auf eine Höhe gebracht. Dabei ist es wichtig Stürzen vorzubeugen (Sturzprophylaxe), indem der oder die Patient:in möglichst rutschfeste Hausschuhe trägt und die Rollstuhlbremsen festgestellt sind. Die pflegebedürftige Person umarmt die pflegende Person und wird sanft in den Stand gebracht. Durch eine Drehung und das behutsame Herablassen auf die Sitzfläche, erfolgt die Mobilisierung vom Bett in einen Stuhl mit minimaler Anstrengung.

Um die Bewegung von einem Stuhl ins Bett für Betroffene sowie Pflegende so angenehm wie möglich zu gestalten, sollte der Stuhl so ans Bett gestellt werden, dass er auf Höhe des Kopfkissens steht. Der oder die Patient:in legt die Arme über die Schultern des oder der Pflegenden. Der oder die Pflegende geht in die Knie und unterstützt den oder die Patient:in beim Aufstehen. Je nach Ausmaß der Einschränkung können Patient:innen ihr Gewicht kurz selbst spüren, bevor sie durch eine Drehung auf die Bettkante gesetzt werden.

Wichtig bei all diesen kinästhetischen Techniken ist es zunächst die richtige Schulung zu absolvieren und die Übungen am Anfang keinesfalls ohne Aufsicht durchzuführen.

Quellen:

Schulungszentrum Fromeyer: Kinästhetik in der Pflege – Hilfe für Patienten und Pflegende Angehörige

Bewegungskompetent: Kinästhetik – Konzept und Einsatzmöglichkeiten in Gesundheitsberufen

Gesundheitszentrum Main-Spessart: Die Kinästhetik in der Pflege – Hilfe zur Selbsthilfe

Kinaethetics Deutschland: Was ist Kinaesthetics?

Wissen in der Box: Kinästhetik

Die Kinästhetik beschreibt das Prinzip der unbewussten Kontrolle und Steuerung unserer Bewegungen. Mit Hilfe der Kinästhetik sollen Bewegungen besonders wahrgenommen werden und so die Bewegungsempfindung verbessert werden.

Kinästhetik findet insbesondere in der Pflege Anwendung. Durch die Zusammenarbeit von Pflegeperson und Patient:in können die Patient:innen gefördert und die pflegende Person entlastet werden.

Die Ziele der Kinästhetik liegen in der Verbesserung der Mobilität und Selbstständigkeit für Patient:innen und der körperlichen Entlastung der Pflegenden.

Die sechs Grundkonzepte der Kinästhetik setzen sich aus Interaktion, funktionaler Anatomie, menschlicher Bewegung, Anstrengung, menschlicher Funktion und Umgebungsgestaltung zusammen.

Kinästhetik kann bei der täglichen Pflege insbesondere bei Lagerung und Mobilisation eines bzw. einer Patient:in im Bett oder aus dem Bett in einen Stuhl behilflich sein.

Die Kinästhetik steigert die Eigenständigkeit der Patient:innen und entlastet Pflegende körperlich.