Pflegereform 2021 – Alle Änderungen für Sie im Überblick
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Schon seit vielen Jahren ist in Deutschland klar ersichtlich, dass das Pflegesystem verbesserungsfähig ist. Der Begriff “Pflegenotstand” steht für die schlechten Arbeitsbedingungen sowie zu wenig Pflegepersonal und geht seit Jahren durch die Presse. Mit der Pflegereform von 2021, dem Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG), sind verschiedene Maßnahmen im Gesetzentwurf festgeschrieben worden, der am 02.06.2021 vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht und am 11.06.2021 vom Bundestag verabschiedet wurde.
Ursprünglich sollte die Pflegereform drei Bereiche umfassen: die häusliche Pflege, die stationäre Pflege und eine bessere Entlohnung für das Pflegepersonal.
Allerdings stellen die nun beschlossenen Maßnahmen nur einen Bruchteil dessen dar, was ursprünglich geplant war. Viele geplante Reformvorhaben, wie die Erhöhung von Pflegegeld und Tagespflege, werden nicht umgesetzt. Die Pflegesachleistungen werden erst Anfang 2022 erhöht.
Im folgenden Artikel fassen wir für Sie die tatsächlichen Änderungen zusammen, die innerhalb der Pflegereform 2021 geplant sind und gehen zunächst auf die Gründe der Pflegereform ein.
Pflegereform 2021: Gründe
Die Corona-Pandemie brachte deutlich zum Ausdruck, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen, um das Pflegesystem grundlegend zu reformieren. Noch immer werden zu viele Pflegekräfte unzureichend bezahlt und lange Arbeitszeiten sind an der Tagesordnung. Die Kombination aus viel Verantwortung, einem unflexiblen Schichtsystem und der schlechten Bezahlung stellt ein großes Problem dar. Auch ist die Vereinbarkeit von Pflegeberuf und Familie vor allem für Frauen nicht einfach. Zudem ist die gesundheitliche Belastung ein großes Thema für Menschen in diesem Beruf. Der wichtige Pflegeberuf ist daher für viele nicht attraktiv und Pflegekräfte häufig Mangelware.
Schlimmer noch führte die hohe Arbeitsbelastung und geringe Wertschätzung während der Pandemie sogar dazu, dass ausgebildete Pflegekräfte nach Jahren ihren Beruf aufgaben oder mit dem Gedanken spielen, dies zu tun. Das Missverhältnis aus hoher Verantwortung und der starken Belastung unter der Pandemie einerseits und nicht genug Entscheidungsbefugnisse in anderen Bereichen, lange Arbeitsstunden und das zu geringe Gehalt ist für viele auf Dauer nicht tragbar. Auch der wegen der Pandemie bezahlte Pflegebonus hilft nicht über die Missstände hinweg. Daher kann man nur hoffen, dass sich mit den Änderungen der Pflegereform 2021 die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte stark verbessern.
Neben der Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte zielt die neue Pflegereform 2021 auch auf die finanzielle Entlastung von Pflegebedürftigen ab. Die wichtigsten Maßnahmen der Pflegereform 2021 haben wir nachfolgend für Sie zusammengefasst.
Begrenzung der Eigenanteile von Pflegebedürftigen in stationärer Pflege
Insbesondere bei langen Aufenthalten in Pflege- und Altenheimen sind die Ersparnisse der Betroffenen durch den zu zahlenden Eigenanteil häufig schnell aufgebraucht. Für viele Pflegebedürftige sind die steigenden Eigenanteile nicht bezahlbar. Die Bundesregierung verspricht, die finanzielle Belastung von Pflegebedürftigen zu verringern. Doch halten die Pläne, was sie versprechen?
Die Pflegereform 2021 sah ursprünglich vor, die Eigenanteile für die stationäre Pflege auf maximal 700 Euro monatlich zu deckeln, für die Dauer von höchstens 3 Jahren. Danach sollte der Eigenanteil gänzlich wegfallen.
Zum 01.01.2022 wird ein Leistungszuschlag zu den Pflegekosten im Pflegeheim gewährt. Dabei handelt es sich um die Beteiligung der Pflegekasse am pflegebedingten Eigenanteil. Der Zuschlag steigt mit der Aufenthaltsdauer. Je länger also ein:e Pflegebedürftige:r in einem Pflegeheim lebt, desto geringer ist der Eigenanteil. Diverse andere Kosten wie z.B. für Unterkunft und Verpflegung oder Investitionskosten werden nicht bezuschusst.
Der Leistungszuschlag beträgt für Heimbewohner und -bewohnerinnen mit Pflegegraden 2 bis 5:
- 5 Prozent des Eigenanteils an den Pflegekosten innerhalb des ersten Jahres
- 25 Prozent des Eigenanteils an den Pflegekosten wenn sie mehr als ein Jahr,
- 45 Prozent des Eigenanteils an den Pflegekosten wenn sie mehr als 2 Jahre
- 70 Prozent des Eigenanteils an den Pflegekosten wenn sie mehr als 3 Jahre in einem Pflegeheim leben.
Eine Beispielrechnung zeigt, wie sich das auf den Eigenanteil auswirken würde:
Die Gesamtkosten für ein Pflegeheim betragen aktuell durchschnittlich 2.068 Euro im Monat. Durch die geplante Reform ergeben sich anhand dieses Beispiels folgende Kosten:
- Jahr: 1.964,60 Euro
- Jahr: 1.551 Euro
- Jahr: 1.137,40 Euro
- Jahr ff.: 620,40 Euro
Dies sieht zwar auf den ersten Blick nach einer Erleichterung aus, wird vielen Pflegebedürftigen jedoch nicht viel nützen, da die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in stationären Einrichtungen bei 2,5 Jahren liegt.
Pflegereform 2021: Auswirkungen auf die häusliche Pflege
Ursprünglich sah die Reform eine Erhöhung des Pflegegeldes, der Pflegesachleistungen und der Leistungen für die Tagespflege zum 01.07.2021 um je 5 Prozent vor. Laut dem kürzlich erschienenen Gesetzesentwurf soll es allerdings keine Erhöhung beim Pflegegeld und der Tagespflege mehr geben. Lediglich die Sachleistungsbeträge wurden zum 01.01.2022 um 5 Prozent erhöht.
Außerdem gab es im Rahmen der Pflegereform 2021 den Plan, ein einheitliches Entlastungsbudget für die Verhinderungs- und Kurzzeitpflege zu schaffen. Laut dem neuen Gesetzesentwurf bleibt jedoch die Verhinderungspflege unberührt. Lediglich der Leistungsbetrag für die Kurzzeitpflege wurde zum Jahresbeginn 2022 um 10 Prozent angehoben und stieg somit von 1.612 Euro auf 1.774 Euro.
Wie bei jedem Gesetzentwurf gibt es auch bei diesem Kritik von verschiedenster Seite. Die Maßnahmen gehen manchen nicht weit genug. Es wird zum Beispiel argumentiert, dass der Leistungsbezug und die Finanzierung nicht gerecht verteilt seien. Außerdem wurden viele der im Reformkonzept geplanten Änderungen nicht umgesetzt. Viele Pflegebedürftige und deren Angehörige fühlen sich von der Politik im Stich gelassen.
Pflegereform 2021: Änderungen für das Pflegepersonal
Ab September 2022 sollen nur noch solche Pflegeeinrichtungen ihre Kosten mit den Pflegeversicherungen abrechnen können, die die Pflege- und Betreuungskräfte nach Tarifvertrag entlohnen. Es ist jedoch unklar, wann es bei den bereits zugelassenen Pflegeeinrichtungen zu einer Prüfung kommt.
Während es in einigen Bundesländern bereits tarifvertragsähnliche Gehaltsstrukturen gibt, gibt es geschätzt Hunderttausende, die von den neuen Tarifverträgen profitieren und mehr Gehalt bekommen.
Es besteht die Hoffnung, dass sich durch die Reform die Qualität der Pflege durch höher motivierte Pflegekräfte verbessert. Nicht nur die Lohnsteigerungen, sondern auch die schrittweise Entspannung der Personalknappheit dürfte dazu führen, dass sich Pflegekräfte mehr Zeit für jeden einzelnen Patienten nehmen können.
Außerdem erhalten die Pflegekräfte mehr Entscheidungsbefugnisse bei der Auswahl der richtigen Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel im Sinne der Pflegebedürftigen.
Pflegereform 2021: Änderungen für Pflegebedürftige
Im Rahmen des Gesundheitsversorgungsgesetzes (GWG) wurde die Pflegereform vom Bundestag verabschiedet. Das Gesetz tritt in großen Teilen zum 01.01.2022 in Kraft getreten. Zur Gegenfinanzierung soll der Bund einen Zuschuss von jährlich einer Milliarde Euro für die Pflegeversicherung geben.
Viele pflegende Angehörige werden bei der Entscheidung für einen Umzug der pflegebedürftigen Person in ein Pflegeheim mit den damit verbundenen Pflegeheimkosten konfrontiert. Dies kann gerade für Senioren und Seniorinnen mit geringer Rente eine große finanzielle Belastung darstellen. Die Pflegereform zielt unter anderem darauf ab, pflegebedürftige Menschen in stationärer Pflege zu entlasten. Befindet sich eine pflegebedürftige Person länger in einer stationären Pflegeeinrichtung, werden Teile des selbst zu finanzierenden Eigenanteils von den Pflegekassen übernommen.
Für die ambulante Pflege ist im Rahmen der Pflegereform eine Anhebung der Leistungen um fünf Prozent vorgesehen.
Die Grafik zeigt die Veränderung der Pflegesachleistungen, die zum 01.01.2022 in Kraft getreten ist.
Übergangspflege im Krankenhaus
Mit dem Gesundheitsversorgungsgesetz wurde außerdem eine neue Form der Pflege eingeführt – die Übergangspflege im Krankenhaus.
Wenn Patient:innen nach einer schweren Erkrankung nicht sofort aus dem Krankenhaus entlassen werden können, gewährt die Krankenkasse unter bestimmten Voraussetzungen Leistungen der Übergangspflege.
Die Voraussetzung für Übergangspflege ist, dass erforderliche Leistungen der häuslichen Krankenpflege, der Kurzzeitpflege, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder Pflegeleistungen nach dem Elften Buch nicht oder nur unter erheblichem Aufwand erbracht werden können.
Die Übergangspflege im Krankenhaus beinhaltet:
- die Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln
- die Aktivierung der Versicherten
- die Grund- und Behandlungspflege
- ein Entlassmanagement
- Unterkunft und Verpflegung
- die im Einzelfall erforderliche ärztliche Behandlung
Es besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Übergangspflege für längstens 10 Tage pro Krankenhausbehandlung.
Pflegereform 2021: Finanzierung
Zur Abfederung der Mehrausgaben sollen die Pflegeversicherungen ab dem Jahr 2022 jährlich einen pauschalen Bundeszuschuss in Höhe von einer Milliarde Euro erhalten. Bis auf weiteres soll dieser Zuschuss jährlich bezahlt werden.
Ebenso werden die Beitragssätze der Pflegeversicherung für Kinderlose um 0,1 Prozent angehoben werden. Damit steigt der Beitrag von 3,3 Prozent auf 3,4 Prozent des Bruttolohns für Menschen ohne Kinder.
Quellen:
Verbraucherzentrale: Die neue Pflegereform und was Sie dazu wissen sollten
verdi: Fachkräftemangel – nichts wie raus
Bundesministerium für Gesundheit: Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG)
Bundesrat: Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG)
Wissen in der Box: Pflegereform 2021
Das Gesetz ist in großen Teilen zum 01.01.2022 in Kraft getreten.
Es kam zu einer Erhöhung der Pflegesachleistungen um 5 Prozent. Der Betrag für Kurzzeitpflege wurde um 10 Prozent angehoben und stieg von 1.612 Euro auf 1.774 Euro.
Pflegende Angehörige sollen finanziell entlastet werden. Dazu wurden die Pflegesachleistungen um 5 Prozent erhöht. Bei der stationären Pflege werden Teile des selbst zu finanzierenden Eigenanteils von den Pflegekassen übernommen.
Ab dem Jahr 2022 bekommen die Pflegeversicherungen jährlich einen pauschalen Bundeszuschuss in Höhe von einer Milliarde Euro. Zudem werden die Beitragssätze für Kinderlose um 0,1 Prozent angehoben.