Belastungsinkontinenz und Stressinkontinenz – Was Sie wissen müssen
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Eine der häufigsten Inkontinenzformen ist die Stress- oder auch Belastungsinkontinenz. Die Inkontinenz ist ein Tabuthema, obwohl sie mehr als zehn Prozent der über 65-jährigen Frauen und Männer betrifft.
Bei der Belastungsinkontinenz kommt es durch Druckerhöhung im Bauch, zum Beispiel beim Husten oder Niesen, zu einem unwillkürlichen Urinabgang. In fortgeschrittenen Stadien kann der Urinverlust auch schon in geringeren Belastungssituationen auftreten.
Diese Inkontinenz ist für Betroffene äußerst unangenehm und führt oft dazu, dass sie sich sozial stark zurückziehen. Dabei gibt es heutzutage neben Hilfsmitteln bei Inkontinenz auch zahlreiche Behandlungsoptionen wie Beckenbodentraining, Medikamente und Operationen, die die Symptome verbessern. So können Betroffene trotz der Belastungsinkontinenz eine normale Teilhabe am Alltag erleben.
Wenn Sie oder Ihr:e zu pflegende:r Angehörige:r an Stressinkontinenz leiden, können Sie im folgenden Artikel über die Erkrankung und ihre Behandlungsoptionen informieren.
Stress- oder Belastungsinkontinenz – Definition
Belastungsinkontinenz und Stressinkontinenz können synonym verwendet werden. Der Begriff kommt daher, dass bei Belastungssituationen („Stress“) für die Blase die komplexe Schließmuskulatur nicht mehr ausreichend Widerstand aufbaut. So kommt es abhängig vom Schweregrad zu unwillkürlichem Abgang von einigen Tropfen bis zu mehreren Millilitern Urin.
Eine Inkontinenz beginnt nicht schon dann, wenn Sie einmalig beispielsweise bei sehr voller Blase und starkem Husten ein wenig Urin verlieren. Das passiert jedem Menschen gelegentlich und hat noch keinen Krankheitswert. Erst, wenn der ungewollte Urinverlust bei Belastung regelmäßig auftritt, spricht man von Belastungsinkontinenz.
Kommt es bei Ihnen in oben beschriebenen Situationen häufig zu einem leichten Urinverlust, ist es ratsam, Ihren Hausarzt oder Ihre Hausärztin deswegen zu kontaktieren.
Grundlegende Informationen zu den verschiedenen Inkontinenzformen finden Sie in unserem Artikel Inkontinenzformen – Welche Unterschiede gibt es?
Schweregrade bei Belastungsinkontinenz
Es gibt zwei unterschiedliche Einteilungsmöglichkeiten bei Belastungsinkontinenz. Klinisch, also anhand der Einschätzung des Betroffenen, werden folgende Grade von Belastungsinkontinenz unterschieden:
- Grad 1: Urinverlust bei starken Belastungen (Husten, Niesen, Lachen, schweres Heben)
- Grad 2: Urinverlust bei geringer Belastung (Gehen, Aufstehen)
- Grad 3: Urinverlust ohne Belastung, unabhängig von der Tätigkeit, also bereits im Liegen
Mit dieser Einteilung können Sie selbst einschätzen, wie fortgeschritten Ihre Inkontinenz ist. Insbesondere bei der Belastungsinkontinenz Grad 1 kann durch gezielte Behandlung das Fortschreiten der Erkrankung oftmals gut aufgehalten werden. Je früher Sie mit einem Arzt oder einer Ärztin sprechen und mit der Behandlung beginnen, desto besser können Sie sie in den Griff bekommen.
Zusätzlich ist eine Objektivierung der Stärke bei Stressinkontinenz wichtig. Durch das Messen des Urinverlustes am Tag in Millilitern kann der Arzt einschätzen, wie schwer die Belastungsinkontinenz ist und die Therapieerfolge überprüfen. Dafür müssen Sie Vorlagen tragen, die in festgelegten Zeitabständen gewogen werden.
Im Rahmen der Inkontinenz Diagnostik führt der Arzt oder die Ärztin weitere Untersuchungen, wie beispielsweise eine Tastuntersuchung und einen Ultraschall, durch. So kann er oder sie die Form und Schwere der Inkontinenz einschätzen und das weitere Vorgehen mit Ihnen besprechen.
Symptome bei Belastungsinkontinenz
Betroffene dieser Inkontinenz leiden hauptsächlich an einem regelmäßigen Verlust von Urin bei Anspannung der Bauchmuskulatur, zum Beispiel beim Lachen, Husten oder Niesen.
Oft tritt die Belastungsinkontinenz in Kombination mit der Dranginkontinenz auf und wird dann als Mischinkontinenz bezeichnet. Dabei kommt es zusätzlich zu einem krampfartigen Zusammenziehen der Blase und zu häufigem Harndrang. Genauere Informationen finden Sie auf unserer Seite zu Dranginkontinenz.
Belastungsinkontinenz – Die Risiken
Ein wichtiges Symptom von Stressinkontinenz, das für Betroffene nicht nur schmerzhaft, sondern auch gefährlich werden kann, sind häufige Harnwegsinfekte bei Belastungsinkontinenz. Sie bemerken einen Harnwegsinfekt an Brennen beim Wasserlassen, häufigem Harndrang und Unterbauchschmerzen.
Wiederkehrende Harnwegsinfektionen begünstigen nämlich das Entstehen einer Dranginkontinenz, weshalb dieser Kreislauf unbedingt durchbrochen werden muss. Außerdem kann die Infektion in die Nieren aufsteigen und zu einer Nierenbeckenentzündung und im schlimmsten Fall zu einer Blutvergiftung (Urosepsis) führen.
Die Ursachen der Stressinkontinenz bei Frauen
Die Belastungsinkontinenz ist die häufigste Inkontinenzform bei Frauen schon im jüngeren Alter. Ältere Frauen leiden oft zusätzlich an einer Dranginkontinenz, weshalb bei vielen Frauen mit Blasenschwäche nach den Wechseljahren eine Mischinkontinenz vorliegt.
Bei Frauen kommt es aufgrund von verschiedenen Faktoren, insbesondere nach Geburten und ab der Menopause durch den Östrogenmangel, zu einer nicht mehr ausreichend belastbaren Beckenbodenmuskulatur und einer Schwäche des Bindegewebes. So entstehen die typischen Symptome von Stressinkontinenz.
Bei fortgeschrittener Schwäche des weiblichen Beckenbodens kommt es zu einer Senkung der Beckenorgane. Dadurch ändern sich die Druckverhältnisse auf die Blase und die Entstehung einer Stressinkontinenz wird begünstigt.
Seltener kann nach der Korrektur einer Beckenbodensenkung eine Inkontinenz erstmals auftreten. Das Phänomen wird larvierte Belastungsinkontinenz genannt und ist meist mit einem kleineren weiteren Eingriff, bei dem Bänder zur Stärkung des Beckenbodens eingesetzt werden, gut zu beheben.
Bei der Entstehung dieser Inkontinenz spielt häufig auch Übergewicht eine Rolle. Frauen (und Männer) mit viel Bauchfett haben andauernd einen erhöhten Druck im Bauch und Becken, was die Entwicklung einer Stressinkontinenz fördert.
Entstehung der Belastungsinkontinenz bei Männern
Beim Mann ist die Belastungsinkontinenz weniger häufig als die Drang- und die Mischinkontinenz. Auch Männer können jedoch Symptome einer Stressinkontinenz aufgrund eines schwachen Beckenbodens haben, was jedoch deutlich seltener als bei Frauen auftritt.
Die männliche Belastungsinkontinenz entsteht am häufigsten nach Operationen an der Prostata, da diese anatomisch nahe an der Blase und der Harnröhre liegt. So können die Strukturen beschädigt werden und zu Inkontinenz führen.
Belastungsinkontinenz – Behandlungsmöglichkeiten
Die Therapie der Inkontinenz ist abhängig vom Stadium der Erkrankung, aber auch vom Leidensdruck der Betroffenen.
Wenn Sie eine leichte Form der Stressinkontinenz haben, kann schon mit regelmäßigem Beckenbodentraining eine deutliche Besserung der Symptome erreicht werden. Sprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt, ob Sie möglicherweise das Training mit Physiotherapie, Biofeedback–Mechanismen oder elektromagnetischer Stimulation der Muskulatur optimieren können.
Auch eine Gewichtsabnahme kann die Symptome der Belastungsinkontinenz verbessern und wird deshalb von Ärzt:innen dringend angeraten, wenn Sie übergewichtig sind und unter Inkontinenz leiden.
Bei Frauen nach der Menopause mit Belastungsinkontinenz kann die Therapie mit einer östrogenhaltigen Creme, die äußerlich auf die Scheide aufgetragen wird, erfolgen. Dadurch wird eine Austrocknung der Vaginalschleimhaut verhindert und die Funktion der Blasen- und Harnröhrenmuskulatur verbessert. Die Creme wird insbesondere in Kombination mit sogenannten Inkontinenz-Pessaren eingesetzt, die vor oder an Stelle einer Operation eine Therapiemöglichkeit bei Stressinkontinenz darstellen.
Seltener werden von Ärzt:innen Tabletten mit dem Wirkstoff Duloxetin verschrieben. Duloxetin kann zwar die Symptome von Stressinkontinenz verbessern, hat jedoch auch Nebenwirkungen und darf deshalb nicht jeder Frau ohne Bedenken verschrieben werden.
Wenn alle Therapieoptionen ausgeschöpft sind und nicht ausreichend helfen, kann eine Operation bei Belastungsinkontinenz erwogen werden. Hierfür gibt es verschiedene Verfahren mit unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten und Risiken. Der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin wird ausführlich mit Ihnen über die Vor- und Nachteile einer Operation sprechen und Sie über die Komplikationen aufklären.
Vorbeugung der Belastungsinkontinenz
Mit der Vorbeugung durch gezieltes Beckenbodentraining können Sie nicht früh genug beginnen. Insbesondere Frauen wird das Trainieren der Beckenbodenmuskulatur schon vor einer Schwangerschaft empfohlen. Spätestens nach der ersten Geburt ist das gezielte Durchführen der Übungen zur Vermeidung einer Belastungsinkontinenz unvermeidlich und sollte konsequent mehrmals täglich durchgeführt werden.
Die Stressinkontinenz beim Mann entsteht meist nach einer Operation und kann deshalb oft nicht verhindert werden. Abhängig von der Erfahrung des Operateurs ist die Schädigung der Nerven und Muskeln jedoch mehr oder weniger wahrscheinlich und kann nach der OP auch nur vorübergehend auftreten.
Hilfsmittel für Patienten mit Belastungsinkontinenz
Auch wenn eine Belastungsinkontinenz gut behandelt ist, kann es gelegentlich zu Urinverlust kommen. Für die meisten Betroffenen tragen deshalb Inkontinenz Hilfsmittel zu einer entscheidenden Verbesserung der Lebensqualität bei. Beispielsweise sind Vorlagen, Windeln für Erwachsene und Bettschoner gut geeignet, um im Alltag mit der Belastungsinkontinenz besser umzugehen und am Leben teilzuhaben.
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Quellen:
Amboss: Harninkontinenz
AWMF Leitlinie: S2e-Leitlinie Harninkontinenz bei geriatrischen Patienten,
Diagnostik und Therapie
Wissen in der Box: Belastungsinkontinenz
Von Stressinkontinenz spricht man, wenn es regelmäßig dazu kommt, dass die Schließmuskulatur in Belastungssituationen nicht vollständig funktioniert und es so zu ungewolltem Urinverlust kommt.
Es werden drei Stufen unterschieden: 1. Starke Belastung (Husten, Niesen, etc.), 2. Geringe Belastung (Gehen, Aufstehen) und 3. Keine Belastung (Urinverlust bereits im Liegen).
Symptome sind der regelmäßige Urinverlust bei Tätigkeiten wie Lachen, Husten oder Niesen. In Kombination mit der Dranginkontinenz kann krampfartiges Zusammenziehen der Blase hinzukommen.
Die Belastungsinkontinenz kann zu Harnwegsinfekten führen, die bei wiederholtem Auftreten zu einer Dranginkontinenz führen und die Niere stark belasten können.
Die Belastungsinkontinenz tritt oft nach Geburten oder der Menopause ein und liegt zumeist an einem zu schwachen Beckenboden.
Bei Männern führen meist Operationen an der Prostata zu Blaseninkontinenz, da hier Strukturen beschädigt werden können.
Regelmäßiges Beckenbodentraining kann als Behandlung dienen. Frauen können mit östrogenhaltigen Cremes arbeiten und zuletzt kann eine Operation das Problem verbessern.
Frauen sollten zur Vorsorge so früh wie möglich mit dem Beckenbodentraining anfangen. Besonders nach der ersten Geburt wird geraten, die Übungen mehrmals täglich durchzuführen.