Pflegebedürftigkeit der Eltern - Wenn die Eltern plötzlich Pflege brauchen

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Uta Leyke

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Es gehört in Deutschland zu unserer Kultur, dass junge Erwachsene irgendwann das elterliche Haus verlassen und ihr eigenes Leben aufbauen. Eher selten findet man bei uns den Fall, dass Erwachsene bis ins hohe Alter bei ihren Eltern wohnen. Was in anderen Ländern üblich ist, ist hier eher die Ausnahme.

Problematisch wird unsere Lebensform dann, wenn die eigenen Eltern pflegebedürftig werden. Wenn die Pflegebedürftigkeit nur ein Elternteil betrifft, kann vielleicht der Lebenspartner oder die Lebenspartnerin die Pflege übernehmen. Aber was ist, wenn es keine:n Lebenspartner:in mehr gibt? Oder wenn die Kinder weit vom Wohnort der pflegebedürftigen Eltern entfernt leben? Wie kann dann die Pflege der Eltern organisiert werden?

Wir möchten im Folgenden einmal beleuchten, was eine Pflegebedürftigkeit der Eltern tatsächlich für erwachsene Kinder bedeutet. Dabei geht es um praktische und nicht um die finanziellen Aspekte, welche wir gesondert in unserem Artikel über Elternunterhalt betrachten.

Inhalt

Pflegebedürftigkeit der Eltern – Definition

Der Begriff der Pflegebedürftigkeit ist in Paragraph 14 des elften Sozialgesetzbuches (§ 14 SGB XI) geregelt. Dort steht, dass Menschen als pflegebedürftig eingestuft werden, wenn sie gesundheitliche Einschränkungen ihrer Selbstständigkeit und ihrer Fähigkeiten aufweisen. Die Einschränkungen müssen dabei so weit ausgeprägt sein, dass die Betroffenen auf Hilfe angewiesen sind. Zudem muss dieser Zustand voraussichtlich mindestens sechs Monate andauern.

Trifft diese gesetzliche Definition auf Ihre Mutter oder Ihren Vater oder gar beide zu, kann eine Pflegebedürftigkeit vorliegen.

Wie kann ich herausfinden, ob eine Pflegebedürftigkeit meiner Eltern vorliegt?

Unabhängig von der gesetzlichen Definition müssen Sie als Tochter oder Sohn erst einmal von diesem Zustand erfahren, um die Situation einschätzen zu können. Und das ist manchmal gar nicht so direkt möglich, wie man es vielleicht denkt.

Leben die Eltern noch in einer Partnerschaft, übernimmt oft der gesunde Partner oder die gesunde Partnerin viele der Aufgaben für den anderen, wenn diese:r sie nicht länger erledigen kann. Das ist natürlich und auch gut so. Eventuell bekommen die Kinder allerdings dadurch die Pflegebedürftigkeit der Eltern gar nicht richtig mit. Und was ist, wenn diese:r pflegende Partner:in einmal selbst krank wird? Oder wenn die Mutter oder der Vater sogar alleine lebt? Hier kann es bei der Pflege der Eltern schnell zu einem Engpass kommen.

Als Kind von Eltern im Seniorenalter ist man daher gut beraten, sich regelmäßig nach dem Befinden der Eltern zu erkundigen. Besser noch wäre es natürlich sie persönlich zu besuchen. Aber das ist aus vielen Gründen nicht immer möglich.

Durch den regelmäßigen Kontakt und das Nachfragen nach Alltäglichem können auch aus der Ferne erste Hinweise auf den Abbau der körperlichen oder geistigen Fähigkeiten hindeuten. Empfehlenswert sind zum Beispiel Videotelefonate, weil hiermit Veränderungen in Erscheinung treten. Fallen Ihnen bestimmte Aspekte bzw. Veränderungen bei Ihren Eltern auf?

Bei folgenden Punkten, sollten Sie genauer nachfragen:

Viele Eltern haben Sorgeihren Kindern zur Last zu fallen. Deshalb vermeiden sie es oft den Kindern gegenüber zuzugeben, wenn ihnen alltägliche Dinge zunehmend schwerer fallen oder gesundheitliche Probleme auftreten. Eine Gefahr besteht auch darin, dass die Eltern deshalb den Kontakt zu ihren Kindern oder anderen Angehörigen meiden, damit diese nichts von der Pflegebedürftigkeit mitbekommen.

Für Kinder und Angehörige bedeutet das, dass sie gut zuhören müssen und ein gewisses Fingerspitzengefühl aufbringen. Wenn Sie hören, dass die Nachbar:innen der Eltern plötzlich mehr als üblich mit dem Hund Gassi gehen, ihnen beim Einkaufen oder mit der Post helfen, das Auto nicht mehr benutzt wird oder vermehrte Arzttermine anstehen: Fragen Sie genauer nach.

Wenn die Eltern zum Pflegefall werden

Ist Ihr Vater oder Ihre Mutter oder sind beide ein Pflegefall, gibt es für die Angehörigen die Möglichkeit, finanzielle und praktische Hilfsangebote zu nutzen. In Deutschland ist sichergestellt, dass ein pflegebedürftiger Mensch auch dann die benötigte Pflege erhält, wenn die eigenen finanziellen Mittel nicht ausreichen.

Der erste Schritt bei einer Pflegebedürftigkeit ist, die Einstufung des Pflegegrads festzustellen. Denn davon hängt es ab, welche finanziellen und sachlichen Mittel dem pflegebedürftigen Elternteil aus der Pflegeversicherung zustehen. Die Pflegegrade gehen von Pflegegrad 1 bis Pflegegrad 5. Je größer die Einschränkungen und somit der Pflegebedarf ist, desto höher ist der Pflegegrad und die finanzielle Unterstützung. 

Ein Anruf bei der gesetzlichen Krankenkasse des betroffenen Elternteils, ist für Sie als nächste:r Angehörige:r der erste Schritt. Diese leitet Sie an die angeschlossene Pflegeversicherung weiter. Bei Privatversicherten ist die private Pflegeversicherung zu kontaktieren. Beide werden Ihnen bereits am Telefon das weitere Vorgehen erläutern sowie viele weitere Fragen beantworten. 

Sollten dringende Dinge noch vor Feststellung eines Pflegegrads angeschafft oder in die Wege geleitet werden müssen, können Ihnen die Mitarbeiter:innen der Pflegeversicherung Auskunft über mögliche Kostenerstattungen im Nachhinein beantworten. 

Das Leben mit Pflegebedürftigkeit der Eltern organisieren

Die zukünftige Gestaltung des Alltags eines pflegebedürftigen Elternteils wird am besten gemeinsam mit allen Beteiligten in einer ruhigen Umgebung besprochenEin gesunder Partner oder eine gesunde Partnerin kann vermutlich viele Pflegeaufgaben alleine oder mit Hilfe eines ambulanten Pflegedienstes bewältigen. Vor allem, wenn die Pflegebedürftigkeit der Eltern nicht sehr ausgeprägt ist. 

Ist der oder die Betroffene allerdings bettlägerig, sind hierbei viele ältere Partner:innen schnell überfordert.

Für alleinstehende Pflegebedürftige ist sowohl eine Regelung der Pflegemaßnahmen, als auch aller alltäglichen Bedürfnisse notwendig. Hier gilt es, eine umfassende Einschätzung der Lebenssituation, des Pflegebedarfs und sämtlicher Risiken anzustreben. 

Um den benötigten Pflege- und Hilfsbedarf genau einzuschätzen, kann das Kind des Betroffenen für ein paar Tage zu den Eltern ziehen. Arbeitnehmer:innen haben in solchen akuten Pflegebedarfsfällen naher Angehöriger sogar das Recht auf eine Freistellung von der Arbeit für bis zu zehn Tage. Die Zeit ist dafür da, die Pflege zu organisieren und wird im Pflegezeitgesetz geregelt. 

Bereits ab Pflegegrad 1 ist eine Pflegeberatung durch eine:n erfahrene:n Pflegeberater:in kostenlos möglich. Hierbei werden Pflegeoptionen am Wohnort der Eltern genau besprochen.

In vielen Fällen ist eine Unterbringung im Pflegheim von Mutter und Vater nicht notwendig, was allerdings von den verbleibenden Fähigkeiten abhängt. Dies ist abhängig von der individuellen Lebenssituationen und den Wünschen der Betroffenen. 

Auch wenn aus Sicht der besorgten Kinder eine Unterbringung der Eltern im Pflegeheim die sicherste und umfassendste Lösung sein mag, ist es eher eine unbeliebte Wohnform. Die Kosten für eine Pflegeheim sind vergleichsweise hoch. Außerdem möchten die meisten Pflegebedürftigen wenn es geht so lange wie möglich in ihrer vertrauten Umgebung bleiben. Damit Sie nicht unnötig viel Geld für einen Pflegeheimplatz ausgeben und darüber hinaus Ihre Mutter oder Ihr Vater dort nicht glücklich ist, empfehlen wir die Pflegeberatung in Anspruch zu nehmen.

Anlaufstellen für Kinder pflegebedürftiger Eltern

Haben Sie das Gefühl, dass einer oder beide Elternteile krankheits- oder altersbedingt nicht mehr in der Lage sind, alleine den Alltag zu meistern, gibt es verschiedene Anlaufstellen.

Hausarzt

Krankenkasse

Pflegestützpunkt

Seniorenbüro

  1. Sie können sich direkt an die Krankenkasse Ihrer Eltern wenden und sich dort erste Informationen sowie Anlaufstellen nennen lassen
  2. Ein gemeinsamer Besuch beim Hausarzt oder bei der Hausärztin hilft Ihnen, die gesundheitliche Situation sowie die zukünftigen Veränderungen besser einzuschätzen
  3. Sie können direkt Kontakt mit Ihrem örtlichen Pflegestützpunkt aufnehmen und sich dort umfassend beraten lassen
  4. In sogenannten Seniorenbüros können Sie sich darüber hinaus über Freizeitangebote für Senior:innen informieren oder Kontakt zu ehrenamtlichen Helfern erhalten.

Außerdem kann Ihnen auch der Austausch mit anderen Familien helfen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden.

Haben Sie Geschwister, die sich ebenfalls um Ihre Eltern sorgen, sprechen Sie sich gut ab. Nur gemeinsam können Sie die beste Lösung für Ihre Eltern finden.

Wie kann man pflegebedürftige Eltern nach Deutschland holen?

Ob Sie ein pflegebedürftiges Elternteil aus dem Ausland nach Deutschland holen dürfen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. 

  • Ihre Staatsangehörigkeit
  • Ihr Aufenthaltstitel
  • Staatsangehörigkeit des pflegebedürftigen Elternteils
  • Lebenssituation des pflegebedürftigen Elternteils

Pflegebedürftige Eltern mit deutschem Pass, die im Ausland leben, können jederzeit wegen einer Pflegebedürftigkeit nach Deutschland geholt werden. Für EU-Bürger gibt es großzügige Regelungen zwischen den verschiedenen EU-Ländern.

Liegt kein deutscher Pass vor, benötigt das Elternteil ein Visum, das über die deutsche Botschaft im Heimatland beantragt wird. Die Regelungen für den Familiennachzug sind recht streng. Liegt allerdings eine Pflegebedürftigkeit vor, aber es keine Gewährleistung einer angemessenen Pflege im Heimatland Ihrer Eltern gibt, kann die Ausländerbehörde ihren Ermessensspielraum nutzen und dem Umzug zustimmen.

Allerdings sollten Sie die finanziellen Verpflichtungen dieses Vorhabens nicht unterschätzen. Möchten Sie Ihre Mutter oder Ihren Vater nach Deutschland holen und zu Hause pflegen, sollten Sie sich über die Kosten im Vorfeld informieren. Das sind nicht nur die Kosten für zum Beispiel ambulante Pflegedienste. Es besteht die Möglichkeit auf Einkommenseinbußen in Ihrem Job, wenn Sie wegen der Pflege nicht mehr die gewohnten Stunden arbeiten können.

Quellen:

Gesetz über die Pflegezeit (Pflegezeitgesetz – PflegeZG): § 2 Kurzzeitige Arbeitsverhinderung

Berlin.de: Nachzug von Familienangehörigen

Wissen in der Box: Pflegebedürftigkeit der Eltern

Laut Gesetz werden Menschen als pflegebedürftig eingestuft, wenn sie gesundheitliche Einschränkungen ihrer Selbstständigkeit und ihrer Fähigkeiten aufweisen und dieser Zustand mindestens sechs Monate andauert.

Es ist wichtig, sich regelmäßig nach dem Befinden der Eltern zu erkundigen und bei Hinweisen, die auf den Abbau der körperlichen oder geistigen Fähigkeiten hindeuten, genauer nachfragen.

Zunächst sollten Sie den Pflegegrad der betroffenen Person bestimmen lassen. Es gibt die Möglichkeit, finanzielle und praktische Hilfsangebote zu nutzen.

Nach Einschätzung der Lebenssituation und des Pflegebedarfs sollten Sie überlegen, ob die Pflege in einem Pflegeheim oder in der häuslichen Umgebung erfolgen soll. Zudem steht Ihnen eine kostenlose Pflegeberatung zu.

Sie können sich an die Krankenkasse Ihrer Eltern wenden, gemeinsam zum Hausarzt gehen, Kontakt mit Ihrem Pflegestützpunkt aufnehmen oder sich in Seniorenbüros infomieren.