Extraurethrale Inkontinenz – Ursachen, Symptome, Behandlung und Pflege

Picture of Ramona Rühl (Pflegewissenschaftlerin)
Ramona Rühl (Pflegewissenschaftlerin)

Fachjournalistin für Pflege und Gesundheit

Inhaltsverzeichnis

Es gibt verschiedene Formen der Harninkontinenz. Eine der seltenen Inkontinenzformen ist die extraurethrale Inkontinenz. Hier fließt der Urin außerhalb der Harnwege unkontrolliert ab. Grund dafür sind angeborene Fehlbildungen oder Fistelgänge, durch die der Urin aus den Harnwegen heraus abfließt und so in Haut, Scheide oder Darm gelangt.

Wird eine Fehlbildung der Harnwege bei einem Säugling festgestellt, wird diese in der Regel direkt operativ behoben. Im späteren Lebensverlauf kann die extraurethrale Inkontinenz zum Beispiel durch Verletzungen oder Entzündungen im Bereich der Harnwege auftreten.

Nicht selten ist es für die Betroffenen mit Scham behaftet, wenn sie feststellen, dass an einer unüblichen Körperstelle Urin abfließt. Dann ist ein sensibles Vorgehen durch die Angehörigen gefragt. Wenn Angehörige Veränderungen feststellen, die auf eine Form der Inkontinenz hindeuten, suchen sie am besten das Gespräch mit dem Betroffenen und holen ärztlichen Rat ein.

Erfahren Sie in diesem Artikel mehr über die Ursachen, Symptome, Diagnostik und Therapie der extraurethralen Inkontinenz. Wir geben Ihnen außerdem einen Überblick, worauf bei der Pflege eines Betroffenen zu achten ist. Sie erfahren mehr zum Pflegegrad und den Pflegeleistungen der Pflegeversicherung sowie über mögliche Hilfsmittel, die den Alltag und den Umgang mit extraurethraler Inkontinenz erleichtern.

Was ist eine extraurethrale Inkontinenz?

Die extraurethrale Inkontinenz ist eine Form der Harninkontinenz. Das Wort „extraurethral“ bedeutet so viel wie „außerhalb der Harnwege“. Das Wort „Harninkontinenz“ bedeutet, dass der Abfluss des Urins nicht kontrolliert werden kann.  Zusammen genommen bedeutet die Bezeichnung „extraurethrale Inkontinenz“, dass der Urin unkontrollierbar über andere Wege abfließt, als es bei einem gesunden Harntrakt der Fall ist.

Welche Ursachen kann eine extraurethrale Inkontinenz haben?

Die extraurethrale Inkontinenz entsteht entweder aufgrund einer angeborenen Fehlbildung oder durch Fistelgänge, die sich an den Harnwegen bilden.

Angeborene Fehlbildung

Es kommt selten vor, dass ein Säugling mit einer Fehlbildung der Harnwege auf die Welt kommt. Die Fehlbildung kann sich u.a. so darstellen: Der Harnleiter mündet nicht korrekt in die Blase, sondern außerhalb der Blase. Das heißt, der Urin, der aus der Niere durch den Harnleiter eigentlich in die Blase fließen soll, wird an eine andere Körperstelle geleitet und fließt dorthin ab.

Urinfistel

Im Laufe des Lebens kann es durch verschiedene Ursachen zur Fistelbildung an den Harnwegen kommen. Fisteln sind kleine Verbindungskanäle, die sich im Körperinneren bilden. Sie verbinden entweder zwei innere Körperbereiche miteinander oder sie verbinden einen inneren Körperbereich mit der Haut.

Eine Fistel an den Harnwegen nennt man auch „Urinfistel“, weil der Urin durch die Fistel in einen anderen Körperbereich oder durch die Haut abfließt.

Urinfisteln können u.a. durch folgende Ursachen entstehen:

  • Entzündung im Bereich der Harnwege
  • Operation im Beckenbereich
  • Bestrahlung der Beckenorgane

Je nachdem an welcher Stelle sich die Fistel an den Harnwegen bildet, wird in folgende Fistelarten unterschieden:

  • Harnleiterfistel: Verbindungskanal zwischen Harnleiter und Bauchhaut, Scheide oder Darm
  • Blasenfistel: Verbindungskanal zwischen Blase und Bauchhaut oder Scheide
  • Harnröhrenfistel: Verbindungskanal zwischen Harnröhre und Bauchhaut oder Scheide

Welche Symptome zeigen sich bei einer extraurethralen Inkontinenz?

Es kommt ungewollt zum Abfluss von Urin über Haut, Scheide oder Darm. Betroffene haben keine Möglichkeit, den Urin zurückzuhalten. Je nach Größe und Position der Fistel, geht der Urin entweder kontinuierlich oder schwallartig ab. In manchen Fällen ist der Abfluss des Urins auch abhängig von der Körperlage.

Wenn Sie diese Anzeichen feststellen, ist in den meisten Fällen der Hausarzt bzw. die Hausärztin Ihre erste Ansprechperson. Die weitere Diagnostik und Therapie übernehmen in der Regel Fachärzte für Urologie und bei Frauen auch Fachärzte für Gynäkologie.

Wie wird eine extraurethrale Inkontinenz festgestellt?

Besteht der Verdacht auf eine extraurethrale Inkontinenz, gibt es verschiedene Untersuchungsmethoden, die Aufschluss geben. Welche Untersuchung im Einzelfall durchgeführt wird, entscheidet der Arzt. Für die Diagnostik stehen u.a. folgende Untersuchungsmethoden zur Verfügung:

  • Urinanalyse
  • Ultraschall
  • Blasenspiegelung
  • Spiegelung der Harnröhre
  • CT (Computertomografie)
  • MRT (Magnetresonanztomografie)

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei einer extraurethralen Inkontinenz?

Ziel der Behandlung einer extraurethralen Inkontinenz ist es, den natürlichen Ausscheidungsweg des Urins wiederherzustellen. Säuglinge, die mit einer angeborenen Fehlbildung der Harnwege auf die Welt kommen, werden in den Regel nach der Diagnosestellung behandelt, indem die Fehlbildung operativ behoben wird.

Tritt eine extraurethrale Inkontinenz im späteren Lebensverlauf auf, ist meistens eine Urinfistel die Ursache für den ungewollten Urinabgang. Fistelgänge werden in der Regel operativ entfernt, so dass der Urin anschließend wieder auf natürlichem Weg durch die Harnwege abfließen kann.

Bis zur Wiederherstellung des geregelten Urinabflusses, ist die Versorgung mit Inkontinenzprodukten ein wichtiger Schritt. Sollte eine Operation zur Entfernung der Ursache nicht möglich sein, ist eine dauerhafte Versorgung mit Inkontinenzprodukten notwendig.

Was ist bei der Pflege bei extraurethraler Inkontinenz zu beachten?

Kommt es zu ungewolltem Urinabfluss über Haut, Scheide oder Darm, sollten folgende Punkte bei der Pflege von Betroffenen berücksichtigt werden.

Pflege der Haut oder Schleimhaut

Urin enthält naturgemäß Stoffe, die Reizungen an Haut und Schleimhaut verursachen können. Deshalb ist eine gründliche, aber sanfte Reinigung der Körperpartien notwendig, an denen der Urin austritt. Das Auftragen einer Schutzcreme an der betroffenen Stelle der Bauchhaut, Scheide oder After kann helfen, Hautreizungen zu vermeiden.

Erfahren Sie, was Sie außerdem bei wunder Haut im Intimbereich tun können 

Mit Schamgefühlen umgehen

Der Austritt von Urin an unnatürlichen Körperstellen kann für die Betroffenen im höchsten Maß beschämend sein. Neben der Angst, die austretende Flüssigkeit könnte gesehen werden, spielt der Uringeruch ebenfalls eine entscheidende Rolle.

Angehörige sollten im Fall einer extraurethralen Inkontinenz sehr sensibel und verständnisvoll mit Betroffenen umgehen. Ein offenes Gespräch kann helfen, Ideen zu finden, wie die Situation gemeistert werden kann.

Kann ein Pflegegrad bei extraurethraler Inkontinenz beantragt werden?

Stellen Betroffene oder Angehörige fest, dass die selbstständige Bewältigung des Alltags und der Aufgaben im Zusammenhang mit der Inkontinenz nicht mehr möglich ist, kann ein Pflegegrad bei der Pflegekasse des Betroffenen beantragt werden. Der Antrag kann formlos per E-Mai, Brief, telefonisch oder über die Homepage der Pflegekasse gestellt werden. Im Rahmen einer Begutachtung wird anschließend festgestellt, ob der Betroffene pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes ist und damit die Voraussetzungen für einen Pflegegrad erfüllt.

Welche Pflegeleistungen gibt es bei extraurethraler Inkontinenz?

Ob Personen mit extraurethraler Inkontinenz Anspruch auf Pflegeleistungen der Pflegekasse haben, hängt davon ab, ob ein Pflegegrad vorhanden ist. Der Umfang der Leistungen hängt dann von der Höhe des Pflegegrades ab.

Gut zu wissen!
Pflegebedürftige Personen mit Pflegegrad 1 bis 5, die zuhause leben, haben monatlich Anspruch auf Pflegehilfsmittel im Wert von bis zu 40 Euro, die auch bei Inkontinenz nützlich sein können. Dazu gehören beispielsweise Bettschutzeinlagen und Einmalhandschuhe.

Welche Hilfsmittel unterstützen bei extraurethraler Inkontinenz?

Bei extraurethraler Inkontinenz helfen Inkontinenzprodukte, die den ungewollt abfließenden Urin aufnehmen. Es gibt für die unterschiedlichen Bedürfnisse verschiedene Inkontinenzmaterialien, die in unterschiedlichen Größen und Saugstärken erhältlich sind:

  • Einlagen
  • Vorlagen, auch speziell für Männer
  • Windelhosen mit Klett- oder Klebestreifen
  • Inkontinenzunterhosen

Wichtig ist, dass das Inkontinenzprodukt rutschfest sitzt und angenehm zu tragen ist. Es sollte gut zu händeln sein und nicht einschneiden.

Achtung!
Verwenden Sie nicht mehrere Inkontinenzprodukte gleichzeitig. Wechseln Sie lieber auf ein anderes Produkt mit größerer Saugstärke, wenn Ihr aktuelles Produkt nicht ausreicht.

Wissen in der Box: Extraurethralen Inkontinenz

Eine der seltenen Harninkontinenzformen ist die extraurethrale Inkontinenz. Hier fließt der Urin außerhalb der Harnwege unkontrolliert ab. Grund dafür sind angeborene Fehlbildungen oder Fistelgänge, durch die der Urin aus den Harnwegen herausfließt und so in die Haut, Scheide oder Darm gelangt.

Die extraurethrale Inkontinenz entsteht entweder aufgrund einer angeborenen Fehlbildung oder durch Fistelgänge, die sich an den Harnwegen bilden.

Bei extraurethraler Inkontinenz helfen Inkontinenzprodukte, die den ungewollt abfließenden Urin aufnehmen. Es gibt für die unterschiedlichen Bedürfnisse verschiedene Inkontinenzmaterialien, die in unterschiedlichen Größen und Saugstärken erhältlich sind.

Ziel der Behandlung einer extraurethralen Inkontinenz ist es, den natürlichen Ausscheidungsweg des Urins wiederherzustellen. Die Therapie erfolgt in der Regel mit einer Operation.

Stellen Betroffene oder Angehörige fest, dass die selbstständige Bewältigung des Alltags und der Aufgaben im Zusammenhang mit der extraurethralen Inkontinenz nicht mehr möglich ist, kann ein Pflegegrad bei der Pflegekasse des Betroffenen beantragt werden. Im Rahmen einer Begutachtung wird festgestellt, ob der Betroffene pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes ist und damit die Voraussetzungen für einen Pflegegrad erfüllt.

Quellen:
Deutsche Kontinenz Gesellschaft (2023): Harn- und Stuhlinkontinenz (Blasen- und Darmschwäche).
https://www.kontinenz-gesellschaft.de/wp-content/uploads/2023/04/Informationsbroschuere-DKG_Harn-und-Stuhlinkontinenz_03-2023.pdf (abgerufen am 30.03.2024)

S2k-Leitlinie Harninkontinenz der Frau (2021)
https://register.awmf.org/assets/guidelines/015-091l_S2k_Harninkontinenz-der-Frau_2022-03.pdf (abgerufen am 30.03.2024)

S2k-Leitlinie Harninkontinenz bei geriatrischen Patienten – Diagnostik und Therapie (2024)
https://register.awmf.org/assets/guidelines/084-001l_S2e_Harninkontinenz-bei-geriatrischen-Patienten-Diagnostik-Therapie_2024-01_1.pdf (abgerufen am 30.03.2024)

Universitätsklinik Heidelberg: Ektoper Harnleiter.
https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/erkrankungen/ektoper-harnleiter-200211 (abgerufen am 30.03.2024)