Leben mit Morbus Fabry
Fachjournalistin für Medizin und Wissenschaftsautorin
Morbus Fabry kann das Leben von Betroffenen stark prägen – muss es aber nicht. Abhängig ist das von der Verlaufsform der Erkrankung und davon, wie gut die Patienten auf die Therapie ansprechen.
Wie fühlt sich das Leben mit Morbus Fabry an?
Die Enzymersatztherapie hat vielen Menschen das Leben mit Morbus Fabry deutlich erleichtert – dennoch kann es sein, dass manche Beschwerden nicht ganz verschwinden.
In welchem Alter tritt Morbus Fabry auf?
Morbus Fabry ist eine genetische Erkrankung und deswegen von Geburt an „da“. Bei der Erkrankung fehlt dem Körper ein wichtiges Enzym. Deshalb sammeln sich bestimmte Fette in den Zellen an. Gerade bei Männern treten häufig schon im Kindesalter die ersten Symptome auf, die dann immer weiter fortschreiten. Oft ist es so, dass die Betroffenen zunächst unter Schmerzen in Händen und Füßen, Erschöpfung und Magen-Darm-Beschwerden leiden. Bis auch Organe wie Herz, Niere und Gehirn schlechter funktionieren, dauert es meist bis zum Alter von 35 Jahren.
Frauen haben oft erst im Erwachsenenalter erste Symptome. Das liegt daran, dass die Erkrankung auf dem X-Chromosom liegt. Frauen haben zwei X-Chromosomen, so dass eines von beiden gesund ist und das Enzym nicht völlig fehlt.
Sowohl bei Männern als auch bei Frauen gilt aber: Die Symptome bei Morbus Fabry können sehr variabel sein. Und oft haben die Betroffenen schon lange Beschwerden, bevor die Erkrankung richtig diagnostiziert wird.
Warum dauert es oft so lang, bis eine Diagnose gestellt wird?
Das liegt daran, dass es nicht das „eine“ Krankheitsbild bei Morbus Fabry gibt. Die Beschwerden werden zudem oft nicht erkannt, nicht richtig zugeordnet oder vielleicht sogar als psychosomatisch eingestuft. Gerade Kinder können ihre Symptome nicht gut in Worte fassen. Dann kann es sein, dass sie brennende Schmerzen in den Gliedmaßen nur zum Ausdruck bringen, im dem sie Weinen und mit den Beinen auf den Boden schlagen. Auch bei Jugendlichen werden für die Beschwerden oft allgemeine Erklärungen gefunden. Die starken Schmerzen sind dann „Wachstumsschmerzen“, die Erschöpfung wird vielleicht als Lustlosigkeit oder sogar Faulheit interpretiert.
Herausfordernd ist die Diagnose auch bei milderen Verlaufsformen. Dann werden manche Beschwerden erst im Erwachsenenalter richtig auffällig. Zum Beispiel wenn sportliche Menschen bemerken, dass ihnen schneller die Kraft ausgeht und sie das nicht einordnen können.
Es kann aber natürlich auch sein, dass Ärzte für die Erkrankung sensibilisiert sind und schnell den richtigen Verdacht haben. Spätestens bei einem Schlaganfall unter 50 Jahren läuten bei den meisten Ärzten die Alarmglocken und die richtigen Tests werden eingeleitet.
Welche Symptome bei Morbus Fabry belasten am meisten?
Einen großen Leidensdruck verursachen die starken, brennenden Schmerzen. Manche Betroffene haben ständig Schmerzen, andere haben Schmerzkrisen, die durch Trigger ausgelöst werden. Dabei handelt sich zum Beispiel um Stress, Temperaturschwankungen oder das falsche Essen.
Auch die Erschöpfung kann im Alltag stark einschränken. Vielleicht ist es dann nötig, die Arbeitszeit zu reduzieren oder sogar eine Erwerbsminderungsrente zu beantragen. In einer solchen Situation kann es auch sein, dass sich die finanzielle Situation der Betroffenen verschlechtert.
Wie gut lässt sich die Morbus-Fabry-Therapie in den Alltag integrieren?
Der Kern der Therapie bei Morbus Fabry ist die Enzymersatztherapie. Die Enzyme erhält der Patient alle zwei Wochen über eine Infusion. Die ersten Infusionen sind meist etwas aufwändiger: Der Betroffene muss dazu in ein Morbus-Fabry-Zentrum, was vielleicht mehr Anreisezeit beansprucht. Auch die Infusion läuft am Anfang etwas langsamer, weil die Ärzte erst sicherstellen müssen, dass die Infusion gut vertragen wird. Dann kann eine Infusion durchaus 4 Stunden dauern. Später erhält man die Infusion meist in der Nähe des Wohnorts und sie dauert auch nur noch 90 Minuten. In vielen Fällen lässt sich dafür auch ein Termin am Abend oder sogar am Wochenende vereinbaren. Zum Start der Therapie kann es sein, dass man sich am Tag nach der Infusion krank oder unwohl fühlt. Hat sich der Körper an die Infusion gewöhnt, wird sie oft gut vertragen.
Kann man mit Morbus Fabry arbeiten?
Grundsätzlich ja – wie stark die Symptome sind, ist schließlich sehr unterschiedlich. Viele Betroffene haben aber mit starker Erschöpfung zu kämpfen. Dann kann es vielleicht nötig sein, die Arbeitszeit zu reduzieren. Es gibt auch Fälle, in denen Betroffene gar nicht mehr arbeiten können. Dann muss eine Erwerbsminderungsrente beantragt werden.
Ob Betroffene ihrem Arbeitgeber von der Erkrankung erzählen, bleibt ihnen selbst überlassen. In der Regel können die Betroffenen selbst am besten einschätzen, wie der Arbeitgeber reagiert.
Manche Betroffene haben auch einen Grad der Behinderung über 50 (Schwerbehinderung). Sie haben dann Anspruch auf mehr Urlaub und einen besseren Kündigungsschutz. Um diese Vorteile nutzen zu können, muss der Arbeitgeber aber über die Erkrankung informiert werden.
Kann man mit Morbus Fabry in den Urlaub fahren?
Innerhalb von Deutschland ist es kein Problem, auch länger mit Morbus Fabry zu verreisen. Meist erhält man die 14tägige Enzymersatztherapie von einem Anbieter, der bundesweit Anlaufstellen hat. Die Infusion lässt sich dann auch an einem anderen Ort verabreichen. Bei weiteren Reisen kann die Organisation aufwändiger sein – es gibt aber zum Beispiel die Möglichkeit, die Infusion mitzunehmen und sich bei Medizinern vor Ort legen zu lassen. Einige Patienten lernen auch, sich die Infusion selbst zu verabreichen.
Wie beeinflusst Morbus Fabry die Familienplanung?
Familienplanung ist für Menschen mit Morbus Fabry oft ein schwieriges Thema – immerhin kann es sein, dass man die Erkrankung an seine Kinder vererbt. Einige Betroffene verzichten deshalb lieber darauf, ein Kind zu bekommen. Andere setzen sich intensiv mit dem Thema Pränataldiagnostik auseinander und wieder andere nehmen das Risiko bewusst in Kauf. Eine erste Anlaufstelle zu diesem Thema kann eine Schwangerenberatungsstelle sein. Adressen in der Nähe finden Sie zum Beispiel bei der Bundeszentrale für gesundheitlich Aufklärung. Die Berater dort können bei der Entscheidung unterstützen und nächste Schritte aufzeigen.
Mit diesen Schritten verbessert sich die Lebensqualität
In der Regel lindert die Enzymersatztherapie bei Morbus Fabry die Beschwerden deutlich. Erkrankte haben dadurch eine deutlich höhere Lebensqualität. Manche Symptome verschwinden aber vielleicht nicht ganz – dann gilt herauszufinden, wie man sich noch zusätzlich helfen kann.
Gibt es bei Morbus Fabry Symptome, die trotz Therapie bleiben?
Der Therapieerfolg bei Morbus Fabry ist abhängig von der Erkrankungs-Variante und von den Symptomen, die der Patient vor der Behandlung hatte. Menschen mit schweren Verläufen erleben die Enzymtherapie oft als durchschlagenden Erfolg, weil sich die Lebensqualität sehr stark verbessert. Gerade wenn die Schmerzen vorher sehr stark waren, kann es aber durchaus sein, dass leichte Schmerzen bleiben. Oft müssen die Betroffenen auch weiter darauf achten, wie sie sich ernähren – auch wenn die Verdauungsprobleme insgesamt deutlich abnehmen. Organschäden lassen sich durch die Therapie nicht rückgängig machen. Hat eine Patient zum Beispiel bereits ausgeprägte Nierenschäden, muss er auch weiterhin regelmäßig zur Dialyse.
Was hilft gegen die Schmerzen bei Morbus Fabry?
Oft reduziert die Enzymtherapie die Schmerzen deutlich oder sie verschwinden sogar ganz. Ansonsten kann ein Schmerzspezialist dabei helfen, eine gute Schmerztherapie zusammenzustellen. Solche Spezialisten findet man in Schmerzzentren oder manchmal auch direkt in Morbus-Fabry-Zentren.
Was kann man selbst tun, um die Lebensqualität bei Morbus Fabry zu verbessern?
Jeder Patient mit Morbus Fabry ist anders. Das heißt auch, dass neben den medikamentösen Therapien jeder Patient für sich selber herausfinden muss, was ihm gut tut. Das fängt bei der Ernährung an: Manche Menschen mit Morbus Fabry vertragen vielleicht kein Fleisch oder keine Milch – andere haben gute Erfolge mit der FODMAP-Diät. Auch die Schmerzen sind nicht immer gleich. Manchmal ist Kälte ein Schmerztrigger, andere Patienten vertragen keine Hitze. Von einer Sache profitieren aber die meisten Patienten: Stress und Hektik in ihrem Alltag zu reduzieren.
Lese-Tipp!
Lesen Sie mehr über den Verlauf und die Behandlung von Morbus Fabry in unserem Ratgeber:
Hilfsmittel bei Morbus Fabry: Welche sind geeignet?
Morbus Fabry kann leicht verlaufen, aber auch zur Schwerbehinderung führen. „Spezielle Fabry-Hilfsmittel“ gibt es deshalb nicht – was den Alltag erleichtert, ist bei jedem Patient etwas anders.
Auf welche Hilfsmittel haben Fabry-Patienten Anspruch?
Ob ein Antrag auf Hilfsmittel Erfolg hat, lässt sich nicht generell sagen. Menschen mit Morbus Fabry haben ganz unterschiedliche Einschränkungen und benötigen deshalb auch ganz unterschiedliche Hilfsmittel. Viele Betroffene haben angeschwollene Beine – dann können Kompressionsstrümpfe helfen. Oder eine Fabry-Patient hat vielleicht schon einen Schlaganfall erlitten und ist nun auf eine Gehhilfe angewiesen. Andere reagieren so empfindlich auf Hitze, dass sie im Sommer Kühlwesten tragen möchten.
Wer ein bestimmtes Hilfsmittel beantragen möchte, braucht dafür in jedem Fall ein Rezept von seinem Arzt. Der Arzt muss genau begründen, warum ein Hilfsmittel medizinisch notwendig ist.
Fabry-Syndrom: Wer bietet Hilfe und Beistand?
Ob für die Behandlung, die Beantragung von Hilfsmitteln oder für einen Rentenantrag – es gibt viele Anlaufstellen, die Menschen mit Morbus Fabry unterstützen
Ich habe Morbus Fabry – wo finde ich Unterstützung?
- Medizinische Hilfe: Die erste Anlaufstelle für Erkrankte ist das nächstgelegene Morbus-Fabry-Zentrum. Möglicherweise sind Betroffene dort schon Patient, weil hier auch die Untersuchungen zur Diagnosestellung stattgefunden haben. Das Zentrum koordiniert die weitere Therapie. In der Regel arbeiten dort Ärzte aus unterschiedlichen Fachgebieten zusammen. Gerade kleinere Zentren können aber manchmal nicht jedes Fachgebiet abdecken. Dann wird noch ein Facharzt einer anderen Praxis eingebunden.
- Rechtliche Fragen: Es gibt Verbände, die in sozialrechtlichen Fragen unterstützen. Das kann zum Beispiel ein Antrag auf einen Grad der Behinderung sein oder der Antrag auf Hilfsmittel. Organisationen wie der Sozialverband VdK oder die sozialrechtliche Beratungsstelle der MPS-Gesellschaft helfen beim Ausfüllen der Formulare und erklären, worauf man achten muss. Die Chancen auf eine Bewilligung sind dann meist viel höher.
- Selbstorganisation: Der Austausch mit anderen Betroffenen kann Mut machen, aber auch ganz praktisch bei Fragen der Lebensführung helfen. Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, Mitglied in der Morbus Fabry Selbsthilfegruppe e.V. zu werden. Neben Jahrestreffen gibt es dort auch regionale Gruppen, die regelmäßig zusammenkommen. Auch Online-Treffen sind möglich. Außerdem können sich Betroffene und Angehörige per Mail oder Telefon mit ihren Fragen an den Verein wenden.
Führt Morbus Fabry zu Pflegebedarf und Einschränkungen?
Wie stark ein Mensch mit Morbus Fabry eingeschränkt ist oder sein wird, lässt sich nicht pauschal sagen. Manche Betroffene führen ein ganz normales Leben, andere sind schwerbehindert und benötigen vielleicht auch finanzielle Unterstützung.
Ist man mit Morbus Fabry pflegebedürftig oder schwerbehindert?
Beim Vollbild der Erkrankung können die Symptome so stark sein, dass die Betroffenen einen hohen Grad der Behinderung haben und als schwerbehindert gelten. Die sozialrechtliche Einstufung erfolgt aber nicht automatisch – ob rechtlich gesehen eine Pflegebedürftigkeit oder eine Schwerbehinderung vorliegt, wird nach einem entsprechenden Antrag streng geprüft.
Wer einen solchen Antrag stellt, sollte das in enger Absprache mit seinen Ärzten tun. Denn diese müssen medizinisch begründen, warum dem Antrag stattgegeben werden sollte. Beim Ausfüllen der Formulare kann man sich sozialrechtlich beraten lassen, zum Beispiel durch die MPS-Gesellschaft oder den Sozialverband VDK. Dann hat ein Antrag bessere Chancen auf Erfolg.
Das gleiche gilt, wenn man seinem Beruf nicht mehr nachgehen kann und eine Erwerbsminderungsrente benötigt. Betroffenen muss aber klar sein, dass sich die finanzielle Situation durch das Ausscheiden aus dem Berufsleben oft verschlechtert. Gerade für Menschen mit Familie ist das nicht immer leicht.
Wissen in der Box: Leben mit Morbus Fabry
Morbus Fabry kann die Lebenserwartung verkürzen, besonders wenn die Krankheit nicht rechtzeitig behandelt wird. Ohne Therapie können Organe wie das Herz, die Nieren und das Nervensystem ernsthaft geschädigt werden, was zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen kann. Mit frühzeitiger Diagnose und Behandlung, zum Beispiel durch Enzymersatztherapie, können die Symptome gelindert und das Fortschreiten der Krankheit verlangsamt werden. Dadurch lässt sich die Lebensqualität verbessern und die Lebenserwartung erhöhen.
Morbus Fabry wird durch einen Bluttest diagnostiziert. Dabei wird der Aktivitätsgrad eines bestimmten Enzyms gemessen, der sogenannten Alpha-Galaktosidase. Ein klarer Hinweis auf die Krankheit ist bei Männern eine niedrige Enzymaktivität. Frauen können Trägerinnen sein. Daher wird bei ihnen zusätzlich ein Gentest durchgeführt, um den genetischen Defekt nachzuweisen. Wichtig ist eine frühzeitige Diagnose, um schnell mit der Behandlung zu beginnen und Schäden an Organen zu verhindern.
Ja, Morbus Fabry ist eine Erbkrankheit, die durch einen Gendefekt auf dem X-Chromosom verursacht wird. Da das defekte Gen auf dem X-Chromosom liegt, sind Männer oft schwerer betroffen, weil sie nur ein X-Chromosom haben. Frauen können ebenfalls betroffen sein, aber die Symptome sind oft milder, da sie zwei X-Chromosomen haben und eines das gesunde Gen tragen kann. Die Krankheit wird von einem betroffenen Elternteil an die Kinder weitergegeben.
Ja, bei Morbus Fabry gibt es Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Männer haben meist schwerere Symptome, da sie nur ein X-Chromosom besitzen, das den Gendefekt trägt. Frauen können mildere oder unterschiedlich starke Symptome haben, da ihr zweites X-Chromosom teilweise ausgleichen kann.
In Deutschland wird geschätzt, dass etwa 1 von 40.000 bis 60.000 Menschen an Morbus Fabry leidet. Da milde Formen der Erkrankung jedoch oft nicht erkannt werden, könnte die tatsächliche Zahl höher sein. Insgesamt geht man von mehreren tausend Betroffenen im Land aus, wobei viele Menschen möglicherweise noch ohne Diagnose leben.