Verlauf und Behandlung von Morbus Gaucher (Gauchersche Krankheit)

Die Beschwerden bei Morbus Gaucher sind von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Es kann sein, dass keinerlei Symptome auftreten. Es gibt aber auch Betroffene, die starke Beschwerden oder auf Grund der Knochenschäden sogar Behinderungen haben. Meist lässt sich Morbus Gaucher aber gut Medikamenten behandeln, so dass Betroffene ein weitgehend normales Leben führen können.

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Morbus Gaucher - Verlauf der Krankheit

Wie Morbus Gaucher verläuft, hängt von mehreren Faktoren ab: Wird er zum Beispiel nicht behandelt, verschlimmern sich die Symptome im Laufe des Lebens. Und wer schon in der Kindheit starke Symptome hatte, bei dem schreitet die Erkrankung tendenziell schneller voran als bei Menschen mit wenigen Symptomen. Auch hängt der Krankheitsverlauf stark davon ab, an welchen Typ die Betroffenen leiden.

In welchem Alter fängt Morbus Gaucher an?

Das hängt stark vom Erkrankungstyp ab:

  • Typ 1: Manche Betroffene fallen in den ersten beiden Lebensjahren mit Krankheitszeichen auf, andere zeigen bis ins hohe Erwachsenenalter keine Symptome oder bleiben sogar gänzlich symptomfrei.
  • Typ 2: Die ersten, sehr schweren Symptome setzen bereits im ersten Lebensjahr ein.
  • Typ 3: Die ersten Symptome treten meist in der Kindheit auf.

Wie fängt Morbus Gaucher an?

Zu Beginn sind die Symptome oft noch nicht so charakteristisch, so dass der Verdacht häufig nicht gleich auf einen Morbus Gaucher fällt. Frühsymptome können in jedem Alter auftreten und umfassen:

  • Verminderte Leistungsfähigkeit und schnelle Ermüdbarkeit durch eine Anämie
  • Tastbare Milz unter dem linken Rippenbogen oder eine tastbare, vergrößerte Leber unter dem rechten Rippenbogen
  • Knochen- oder Gelenkschmerzen
  • Kleine Blutungen an der Haut, starkes Nasenbluten.

Bei Morbus Gaucher Typ 2 und 3 ist die Milz oft schon früh stark vergrößert, was zu erheblichen Oberbauchbeschwerden führen kann. Daneben fallen schon in der Kindheit neurologische Symptome auf:

  • Typ 2 beginnt häufig zunächst mit Blickstörungen wie Strabismus oder Blicklähmungen. Im ersten Lebensjahr kommt es dann zu schwersten Symptomen wie Krampfanfällen oder erheblichen Schluckstörungen.

Eines der ersten Symptome bei Typ 3 ist, dass die Augen des Betroffenen nicht „zurückspringen“, nachdem diese ein Objekt verfolgt haben und das Objekt aus dem Blickfeld gerät. Die Kinder bewegen den Kopf deshalb zum Ausgleich häufig mit. Dann folgen Bewegungsstörungen wie Schwierigkeiten, die Balance zu halten. Auch epileptische Krampfanfälle sind möglich.

Ist Morbus Gaucher eine progressive Erkrankung?

Ja, die Erkrankung schreitet im Laufe des Lebens voran. Wie schnell und wie stark, ist allerdings sehr unterschiedlich und hängt vom Typ ab:

  • Typ 1: eher langsames oder kein Fortschreiten
  • Typ 2: sehr rasches Fortschreiten bis zum frühen Tod
  • Typ 3: sehr variables Fortschreiten

Bei Kindern, die starke Symptome haben, schreitet die Erkrankung meistens schnell voran.

Wie hoch ist die Lebenserwartung bei Morbus Gaucher (/Typ 2 / Typ 3)?

Die Lebenserwartung unterscheidet sich je nach Typ.

  • Beim häufigsten Typ 1 ist die Lebenserwartung sehr variabel, da sich die Erkrankungsschwere sehr stark unterscheidet. In einer Studie von 2008 lag die Lebenserwartung in den USA bei 68 Jahren, im Vergleich zu 77 Jahren bei der restlichen Bevölkerung. Seitdem hat sich die Behandlung verbessert, so dass heute von einer höheren Lebenserwartung auszugehen ist.
  • Die Lebenserwartung bei Typ 2 beträgt unter 2 Lebensjahre.
  • Typ 3: Die Lebenserwartung ist deutlich verkürzt, manche Patienten erreichen aber das 5. Lebensjahrzehnt. Die durchschnittliche Lebenserwartung hat sich durch die Behandlung deutlich verbessert.

Morbus Gaucher - Behandlung & Therapie

Auch wenn Morbus Gaucher nicht heilbar ist, lassen sich manche Formen der Erkrankung gut behandeln. In den letzten 30 Jahren wurden Medikamente entwickelt, welche die Funktion des ausgefallenen Enzyms ersetzen. Dadurch bessern sich bei vielen Betroffenen die Symptome deutlich.

Ist Morbus Gaucher heilbar?

Nein, heilbar ist der Morbus Gaucher nicht. Je nach Form der Erkrankung gibt aber Medikamente dagegen, Diese ersetzen beispielsweise das geschädigte Enzym. Ziel der Therapie ist es, die Beschwerden zu lindern und dadurch die Lebensqualität zu verbessern. Auch lässt sich durch die Therapie verhindern, dass Krankheitsfolgen wie Knochenbrüche auftreten.

Mit welchen Medikamenten behandelt man Morbus Gaucher?

Die meisten Patienten mit Morbus Gaucher Typ 1 und 3 können mit einer Enzymersatztherapie behandelt werden. Dabei wird das fehlende Enzym künstlich hergestellt und dem Betroffenen über eine Infusion verabreicht. Das künstliche Enzym ersetzt das fehlerhafte natürliche Enzym und baut die Fette ab, die sich bei der Erkrankung anstauen. Infusionen sind meist alle 2 bis 4 Wochen notwendig. Die Enzymersatztherapie braucht seine Zeit, die Wirkung stellt sich nach mehreren Monaten ein.

Durch die Enzymersatztherapie verkleinern sich die Milz und Leber wieder etwas, auch wenn sie meistens vergrößert bleiben. Die roten Blutkörperchen nehmen zu, wodurch die Anämie oft verschwindet. Auch die Zahl der Blutplättchen nimmt zu. Die Fatigue bessert sich.

Die Enzymersatztherapie wirkt auch auf die Knochen, beispielsweise verbessert sich die Knochendichte. Es kann allerdings 2 bis 3 Jahre dauern, bis die Therapie ihre Wirkung im Knochen zeigt. Durch die Medikamente normalisiert sich bei Kindern und Jugendlichen auch die Körpergröße. Unklar ist, wie gut die Enzymersatztherapie auf neurologische Symptome wirkt.

Die Substratreduktionstherapie sorgt dafür, dass weniger der Fette anfallen, deren Abbau gestört ist. Diese Form der Therapie kommt meist dann in Betracht, wenn eine Enzymersatztherapie nicht möglich ist. Die Medikamente stehen als Tablette zur Verfügung. Die Substratreduktionstherapie wirkt allerdings nicht so gut wie die Enzymersatztherapie.  

Zusätzlich gibt es Medikamente, die nicht an der Krankheitsursache ansetzen, sondern nur die Symptome lindern sollen:

  • Knochenkrisen können beispielsweise mit Schmerzmitteln oder antientzündlichen Medikamenten wir Prednisolon behandelt werden.
  • Bisphosphonate können eingesetzt werden, um den Knochen zu stabilisieren. Sie kommen in Frage, wenn die Enzymersatztherapie nicht genug Wirkung entfaltet oder nicht angewendet werden kann.
  • Epileptische Krampfanfälle werden mit Antiepileptika behandelt.

Warum sollte die Behandlung möglichst früh erfolgen?

Die Enzymersatztherapie wirkt sehr gut, allerdings lassen sich in der Vergangenheit entstandene Knochenschäden nicht rückgängig machen. Eine Therapie sollte deshalb so früh wie möglich beginnen, um Knochenschäden zu verhindern. Die Enzymersatztherapie verkleinert auch die Milz wieder. Sie verhindert damit häufig, dass die Milz entfernt werden muss.

Welche Behandlung gibt es neben den Medikamenten?

Physiotherapie hilft, die Beweglichkeit zu erhalten, auch wenn Knochen und Gelenke verändert sind. Bei abgenutzten Gelenken kann unter Umständen Gelenkprothese eingesetzt werden. Manchmal muss die Milz operativ entfernt werden, weil die Gefahr eines Milzrisses droht (siehe „Gibt es für Morbus Gaucher eine OP?“).

Gibt es für Morbus Gaucher eine OP?

Es gibt keine spezielle Operation für den Morbus Gaucher. Es kann aber notwendig werden, die Milz zu entfernen. Diese Operation wird auch Splenektomie genannt. Die Milz muss entfernt werden, wenn sie zu groß geworden ist und ein Milzriss droht. Dann kann es zu massiven Blutungen in den Bauchraum und einem lebensbedrohlichen Schock kommen.

Welcher Arzt behandelt Morbus Gaucher?

Da die Erkrankung sehr selten ist und die meisten Ärzte mit der Erkrankung keine Erfahrung haben, sollten sich Betroffene an ein spezialisiertes Zentrum wenden. Eine Liste der Zentren gibt es bei der Gaucher Gesellschaft Deutschland e. V.

Je nach Ausprägung der Erkrankung sind unterschiedliche Fachärzte an einer Behandlung beteiligt. Spezialisierte Kinderneurologen behandeln neurologische Symptome im Kindesalter, Orthopäden Knochenschmerzen, Hämatologen Störungen des Blutsystems.

Warum sind Früherkennungs-Untersuchungen bei Morbus Gaucher wichtig?

Morbus Gaucher erhöht das Risiko für manche Krebsarten. Regelmäßige Kontrollen sind deshalb wichtig, um einen entstehenden Krebs früh zu erkennen und damit behandeln zu können.

Was sollte man bei Morbus Gaucher essen?

Für Gaucher-Patienten gelten keine speziellen Ernährungsregeln. Es gelten die gleichen Ernährungsratschläge wie für gesunde Menschen.

Was passiert, wenn Morbus Gaucher unbehandelt bleibt?

Dann schreitet die Erkrankung fort und führt zu Folgeproblemen. Die Milz kann sich so stark vergrößern, dass sie entfernt werden muss oder sogar reißt. Symptome wie Blutungen durch die fehlenden Blutplättchen oder die Blutarmut können stärker werden. Dazu wird der Knochen im Verlauf immer stärker geschädigt, was zu zunehmender Behinderung führen kann.

Morbus Gaucher - Forschungsstand

Mit der Enzymersatztherapie und der Substratreduktionstherapie ist es der Forschung in der Vergangenheit gelungen, gut wirksame Medikamente gegen Morbus Gaucher zu entwickeln. Dennoch wird auch weiter an neuen Therapien geforscht.

Was ist die neueste Behandlungsmethode für Morbus Gaucher?

Die neusten zugelassenen Therapien sind Medikamente der Enzymsubstitutionstherapie und der Substratreduktionstherapie:

  • Imiglucerase, das erste Medikament zur Enzymsubstitutionstherapie, wurde in der EU 1997 zugelassen. Das letzte neu zugelassene Medikament ist Velaglucerase (Zulassung 2010).
  • Miglustat, das erste Medikament der Substitutionsreduktionstherapie, wurde in der EU 2002 zugelassen. Das letzte neu zugelassene Medikament ist Eliglustat (Zulassung 2015).

Welche Behandlungsmöglichkeiten befinden sich in der Erfoschung?

Aktuell werden zwei neue Behandlungsansätze erforscht:

  • Gentherapie: Idee dieser Therapie ist, dass das „erkrankte Gen“ durch ein „gesundes Gen“ ersetzt wird. Das versucht man beispielsweise mit Viren, die das gesunde Gen in die menschlichen Zellen bringen sollen.
  • Chaperon-Therapie: Beim Morbus Gaucher ist ein Enzym verändert und funktioniert deshalb nur unzureichend. Die Idee der Chaperon-Therapie ist, die Funktion des veränderten Enzyms zu verbessern. Das soll durch Chaperone erreicht werden. Chaperone sind Proteine, die andere Proteine (wie Enzyme) „in die richtige Form bringen“.

Beide Behandlungsansätze sind bisher in der Grundlagenforschung. Ein konkretes Medikament ist nicht in Sicht.