Zöliakie - Ein Leben ohne Gluten

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Claudia Barredo Both

Fachjournalistin für Medizin

Inhaltsverzeichnis

Nur wenige nicht betroffene Menschen können mit dem Begriff „Zöliakie“ etwas anfangen. Im Gegenteil: Eine Bitte um glutenfreies Essen in einem Restaurant sorgt oft eher für Seufzen oder Augenrollen. Dabei sind von Jahr zu Jahr mehr Menschen von dieser Erkrankung betroffen, bei der die einzige Therapiemöglichkeit bislang die strikt glutenfreie Ernährung darstellt. Von Zöliakie Betroffene sind darauf angewiesen, auch kleinste Glutenmengen zu meiden. Dies kann wahrlich eine Herausforderung sein.

Aber was sind Zöliakie und Gluten nun eigentlich genau? Woran erkennt man eine Zöliakie? Wie wird sie diagnostiziert? Und was versteht man unter einer wirklich glutenfreien Ernährung? Was kann man dann noch essen?

All diese Fragen beantwortet Ihnen dieser Artikel. Bei weiteren Fragen zum Thema Zöliakie hilft Ihnen Ihre hausärztliche Praxis gerne weiter. Auch auf der Seite der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft (https://dzg-online.de/) finden Sie viele weitere Informationen.

Zöliakie - Definition

Zöliakie ist eine Autoimmunkrankheit, die zu einer lebenslangen Glutenunverträglichkeit führt. Betroffene bilden Antikörper gegen Gliadin, ein Bestandteil des Glutens. Gluten ist ein Protein (Eiweiß), das in vielen Getreidesorten vorhanden ist und für die klebrige Konsistenz des Teiges sorgt. Nehmen Zöliakie-Betroffene Gluten zu sich, so setzt dies eine Entzündungsreaktion der Dünndarmschleimhaut in Gang. Die Schleimhaut wird dadurch massiv angegriffen und kann im Extremfall quasi funktionslos werden. Ernähren sich Betroffene glutenfrei, so erholt sich der Dünndarm in aller Regel vollständig und die Menschen können ein beschwerdefreies Leben führen. Eine seltene langfristige Komplikation der unbehandelten Zöliakie ist eine Krebserkrankung der Dünndarmschleimhaut, das sogenannte Enteropathie-assoziierte T-Zell-Lymphom.

Achtung: Von der Zöliakie abzugrenzen sind weitere Krankheitsbilder wie die Weizenallergie oder die Weizensensitivität. Diese werden in diesem Artikel nicht genauer thematisiert. Wenden Sie sich bei Fragen hierzu an Ihre behandelnde Hausarztpraxis.

Zöliakie - Ursachen​

Zöliakie hat eine genetische Komponente und tritt familiär gehäuft auf. Bestimmte Genvarianten sind mit der Zöliakie assoziiert. Sie kann alleine oder gemeinsam mit anderen Autoimmunerkrankungen wie Typ-1-Diabetes, Hashimoto-Thyreoiditis oder rheumatischen Erkrankungen auftreten.

Dazu, ob Zöliakie durch früheres oder späteres Zufüttern glutenhaltiger Beikost bei Säuglingen vorgebeugt werden kann, gibt es bislang keine eindeutigen Ergebnisse. Bei gesunden Kindern ohne familiäre Vorbelastung ist dies in aller Regel nicht notwendig und bietet keinen Mehrwert. Leiden bereits ein Elternteil oder Geschwisterkind an Zöliakie, so können Sie sich in Ihrer kinderärztlichen Praxis genauer beraten lassen, inwieweit eine Testung auf Zöliakie sinnvoll wäre.

Zöliakie - Symptome

Die Symptome einer Zöliakie sind extrem vielfältig. Anders als früher, als die Zöliakie nur bei Kindern diagnostiziert wurde, kann die Diagnose einer Zöliakie heute auch im Erwachsenenalter neu gestellt werden.

Zu den klassischen Symptomen einer Zöliakie gehören:

  • Chronische Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit, chronisch geblähter Bauch
  • Durchfall bzw. Stuhlveränderungen, auch Verstopfung
  • Gewichtsverlust bzw. bei Kindern Gedeihstörungen, bei Jugendlichen Wachstumsstörung und verspätete Pubertät mit ausbleibender oder später Menarche (erste Regelblutung) bei Mädchen
  • Symptome der Resorptionsstörung, wie Anämie, Nährstoff- und Vitaminmängel
  • Müdigkeit, Schwäche

    Weitere Symptome können überaus vielseitig sein. Es ist auch ein Verlauf komplett ohne darmbezogene Beschwerden möglich.

    Beispiele sind:
  • Psychiatrische Symptome wie Depression, Antriebslosigkeit, Konzentrationsstörungen und Wesensveränderungen
  • Neurologische Beschwerden
  • Infektanfälligkeit
  • Unklare Hautveränderungen: Die Dermatitis herpetiformis Duhring ist eine Sonderform der Zöliakie, die die Haut betrifft.

Grob gesagt sollte bei allen Menschen mit hartnäckigen Nährstoffmängeln, unklaren Bauchbeschwerden oder auch chronischem Antriebsverlust und Wesensveränderungen eine Zöliakie zumindest in Betracht gezogen werden. Bei Kindern und Jugendlichen stellen zudem Gedeihstörungen und fehlende Pubertätsentwicklung Warnsignale dar.

Zöliakie - Diagnose

Um eine mögliche Zöliakie festzustellen, ist die haus- oder ggf. kinderärztliche Praxis erster Ansprechpartner. Bei Bedarf werden Sie an eine gastroenterologische Praxis überwiesen. Ihr Arzt oder Ihre Ärztin wird Sie eingehend zu Ihren Beschwerden befragen. Anschließend erfolgt eine körperliche Untersuchung und Ihr Blut wird auf die typischen Zöliakie-Antikörper getestet.

Im Hinblick auf die Blutuntersuchung ist wichtig, dass Sie einige Wochen lang täglich ausreichend Gluten gegessen haben. Wenn Sie bereits auf Gluten verzichten, ist die Blutanalyse nicht aussagekräftig, da die Antikörper bereits gesunken sein können. Kontaktieren Sie daher bei fraglichen Beschwerden Ihre hausärztliche Praxis, bevor Sie auf eigene Faust beginnen, Gluten zu meiden, um das Testergebnis nicht zu verfälschen.

Zur Diagnosestellung der Zöliakie gehört – außer in bestimmten Fällen – zudem eine Magen- und Dünndarmspiegelung (ÖGD). Dabei wird eine Schleimhautbiopsie entnommen, um sie auf typische Veränderungen hin zu untersuchen.

Zöliakie - Therapie

Steht eine Zöliakie fest, so besteht die Therapie in einer lebenslangen, strikt glutenfreien Ernährung. Hierbei ist wichtig zu verstehen, dass Zöliakiebetroffene auch geringste Mengen Gluten meiden müssen. Auch eine sehr kleine Menge Gluten setzt die Entzündungsreaktion wieder in Gang. Manche Betroffenen merken, dass sie aus Versehen Gluten gegessen haben, zum Beispiel an Bauchschmerzen und Durchfall. Andere bemerken dies nicht, aber in ihrem Körper findet die Immunreaktion trotzdem statt. Ein einmaliger „Glutenunfall“ ist meist nicht allzu schlimm. Trotzdem bedeutet die Reaktion eine Belastung für die Gesundheit und sollte möglichst vermieden werden.

Wird die glutenfreie Diät umgesetzt, so bilden sich die Symptome bei den allermeisten Betroffenen schnell zurück und ein normales, beschwerdefreies Leben ist möglich.

Die Eckpunkte einer glutenfreien Ernährung

Die Getreidesorten, die Zöliakiebetroffene meiden müssen, sind:

  • Weizen
  • Roggen
  • Gerste
  • Grünkern
  • Dinkel
  • Kamut
  • Emmer

Außerdem müssen Lebensmittel auf Kontamination bzw. Spuren von Gluten überprüft werden.

Erlaubte Lebensmittel, durch die die obigen Getreidesorten ersetzt werden können, sind:

  • Reis
  • Mais
  • Kartoffeln
  • Sojabohnen
  • Buchweizen
  • Hirse
  • Quinoa
  • Amaranth
  • Maniok
  • speziell als glutenfrei gekennzeichneter Hafer.

Die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft veröffentlicht jährlich eine detaillierte Auflistung glutenfreier Lebensmittel einschließlich eines Markenregisters.

Nach erstmaligem Schrecken und einer oftmals etwas holprigen Lernphase gewöhnen sich Betroffene meist gut an die neue Ernährungsform. Heutzutage ist eine glutenfreie Ernährung glücklicherweise leichter und nicht mehr so einseitig wie früher. Es stehen zusätzlich zu den von Natur aus glutenfreien Lebensmitteln wie Reis und Mais zahlreiche spezielle glutenfreie Ersatzprodukte zur Verfügung. Auch Kochbücher geben zusätzliche Anregungen. Dennoch sollten Betroffene nach der Diagnose eine Ernährungsberatung in Anspruch nehmen, um keine Mangelerscheinungen durch eine einseitige Diät zu erleiden. Grundsätzlich sollten glutenfreie Lebensmittel wie Müsli oder Brot nicht einfach weggelassen, sondern durch glutenfreie Alternativen ersetzt werden, da sonst häufig Ballaststoffe fehlen.

Mythen zur Zöliakie und glutenfreier Ernährung

Problematischer ist für viele Zöliakiebetroffene der soziale Aspekt des Essens. Restaurant- und Cafébesuche, ebenso wie der spontane Imbissbesuch, eine Einladung zum Essen bei Bekannten oder ein Hotelbuffet sind oft mit Einschränkungen verbunden oder kaum möglich. Zu großen Teilen liegt das an noch immer weit verbreitetem Unwissen zur Zöliakie.

Zu gängigen Mythen gehören zum Beispiel:

  • „Betroffene können „tricksen“ und Ausnahmen machen. Dann bekommen sie eben ein wenig Bauchweh.“ Falsch. Viele Betroffene merken noch nicht einmal, wenn sie aus Versehen Gluten zu sich nehmen. Dennoch schädigt die Autoimmunreaktion ihre Darmschleimhaut und somit ihre Gesundheit.
  • „Glutenhaltige Lebensmittel wie Brotstücke oder Panade können doch einfach aus dem Essen entfernt werden.“ Falsch. Betroffene müssen auch kleinste Mengen Gluten meiden. Dazu gehören auch Brotkrümel, eine glutenhaltige Sauce oder Dressing.
  • „Glutenunverträglichkeit ist ein moderner Trend, den es früher nicht gab.“ Jein. Tatsächlich geht heutzutage in bestimmten Kreisen ein Trend in die Richtung, Gluten sei ungesund und solle gemieden werden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass Zöliakiebetroffene gesundheitlich darauf angewiesen sind, auf Gluten zu verzichten. Aktuellen Erkenntnissen nach bietet eine glutenfreie Ernährung Menschen, die nicht an Zöliakie leiden, keinen gesundheitlichen Vorteil.
  • „Glutenfreie Ernährung ist furchtbar aufwendig, man kann fast nichts mehr essen und die Dinge schmecken nicht.“ Mittlerweile glücklicherweise nicht mehr. Viele normale Lebensmittel wie Obst, Gemüse, unpaniertes Fleisch, Fisch, Hülsenfrüchte, Nüsse und bestimmte Getreidesorten wie Reis und Mais sind von Natur aus glutenfrei. Auch ohne teurere glutenfreie Ersatzprodukte wie glutenfreie Nudeln oder glutenfreies Brot kann gesund, abwechslungsreich und lecker gekocht und gebacken werden.

Zöliakie im Alter

Zöliakie ist eine lebenslange Erkrankung. Dies stellt für betroffene Senioren durchaus eine Herausforderung dar. Zwar geht die glutenfreie Ernährung Betroffenen mit der Zeit in Fleisch und Blut über, sodass meist keine Probleme bestehen, solange Betroffene sich selbst um ihr Essen kümmern können. Schwierig wird es aber, wenn Betroffene ihre Mahlzeiten von anderen bekommen müssen. Oft ist eine glutenfreie Ernährung in Pflegeheimen oder bei Lieferdiensten einseitig und/oder teurer. Mögliche Tipps können hier sein:

  • Informieren Sie sich möglichst frühzeitig, wenn absehbar ist, dass Sie selbst oder von Zöliakie betroffene Angehörige die Mahlzeiten nicht mehr selbst zubereiten können. Hören Sie sich in Ihrem persönlichen Umfeld um und kontaktieren Sie Lieferdienste, um sich bezüglich glutenfreier Mahlzeiten zu informieren.
  • Gleiches gilt, wenn ein Pflegeheim notwendig wird. Zögern Sie nicht, sich vor Ort umzusehen und konkret über mögliche Kontaminationen nachzufragen. Dies muss Ihnen nicht unangenehm sein, es handelt es sich um eine gesundheitliche Notwendigkeit.
  • Die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft bietet regelmäßig Schulungen für Küchenmitarbeiter:innen, zum Beispiel von Seniorenheimen, an, um sie über die korrekte Zubereitung glutenfreien Essens zu informieren. Weitere Informationen finden Sie auf dieser Seite: https://seniorenheim-magazin.de/branchennews/glutenfreie-verpflegung-in-seniorenheimen/
  • Betroffene freuen sich oft sehr über eine gelegentliche leckere glutenfreie Mahlzeit, die Bekannte oder Angehörige nach Möglichkeit einmal vorbeibringen.

Wissen in der Box: Zöliakie

Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung, die bei Betroffenen zu einer lebenslangen, absoluten Glutenunverträglichkeit führt.

Die Zöliakie ist ein extrem variables Krankheitsbild. Beschwerden des Verdauungsapparates sind häufig, müssen aber keineswegs auftreten. Bei Kindern sind zum Beispiel Gedeihstörungen und hartnäckige Nährstoffmängel verdächtig.

Zusätzlich zu Anamnese und körperlicher Untersuchung testen Ärztinnen und Ärzte das Blut auf Zöliakie-typische Antikörper. Zudem wird meist eine Magen-Darm-Spiegelung (ÖGD) durchgeführt.

Bislang die einzige Therapie der Zöliakie eine lebenslange, strikt glutenfreie Diät. Betroffene müssen einige Getreidesorten streng meiden und stattdessen auf andere Lebensmittel ausweichen. Dadurch ist ein beschwerdefreies Leben möglich.

Quellen:

https://dzg-online.de/

https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/021-021l_S2k_Zoeliakie_2021-12_1.pdf