chronische Schmerzen

Chronische Schmerzen - Diagnose und Behandlung

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Claudia Barredo

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Chronische Schmerzen sind in Deutschland eine sehr häufige Erkrankung. Schätzungsweise ein Fünftel der erwachsenen Bevölkerung lebt mit einem chronischen Schmerzsyndrom. Die wenigsten Menschen wissen jedoch, wie diese Schmerzen entstehen, und wie man am besten mit ihnen umgehen kann. 

Betroffene empfinden meist einen starken Leidensdruck und kämpfen nicht selten mit Unverständnis im sozialen Umfeld und am Arbeitsplatz. Mit der Zeit können die Schmerzen nach zu psychischen Folgeerkrankungen, wie z.B. einer Depression führen. Die richtige Schmerzbehandlung ist ausschlaggebend dafür, dass Betroffene weiterhin ihr Leben genießen und ihrer Arbeit oder ihren Hobbys nachgehen können.

Dieser Artikel dient dazu, Sie zum Thema „Chronische Schmerzen“ zu informieren. Besonderes Augenmerk liegt auf den Therapiemöglichkeiten.

Inhalt

Wann spricht man von chronischen Schmerzen?

Chronische Schmerzen dauern per Definition länger als sechs Monate, oder sind ständig wiederkehrd. Am häufigsten leiden die Betroffenen an Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen oder Nervenschmerzen.

Der chronische Schmerz unterscheidet sich stark vom akuten Schmerz. Letzterer ist in der Regel eine direkte körperliche Reaktion auf eine Verletzung, also eine Gefahrsituation. Der Schmerz sorgt dafür, dass der Betroffene die Stelle schont, damit die Verletzung heilen kann. 

Chronischer Schmerz stellt hingegen ein eigenständiges Krankheitsbild dar. Der Auslöser kann beispielsweise eine Verletzung sein, die nicht korrekt behandelt worden ist. Der Körper entwickelt ein sogenanntes „Schmerzgedächtnis“, das an der betreffenden Stelle eine erhöhte Empfangsbereitschaft für Schmerz aufbaut. Dies führt dazu, dass dort leichter Schmerzen entstehen. Es reichen bereits Bewegungen aus, die unter normalen Umständen keine Schmerzen auslösen würden. Auch dauerhafte Muskelverspannungen, zum Beispiel durch zu langes Sitzen bei Büroarbeit, aber auch Überstrapazierung und Fehlbelastung, wie zum Beispiel bei handwerklichen Berufen oder Leistungssportlerinnen, können zu chronischen Schmerzen führen.

Wie werden chronische Schmerzen diagnostiziert?

Ausschlaggebend für die Diagnose ist ein ausführliches Gespräch mit der Hausärztin oder einer Schmerzmedizinerin in einer Schmerzambulanz sowie eine gründliche körperliche Untersuchung. Hierbei werden mehrere Dinge erfragt, wie z.B.: 

  • Wie lange dauert der Schmerz bereits an, bzw. in welchen Abständen kehrt er wieder? 
  • Gab es einen Auslöser?
  • Wann tritt der Schmerz wie stark auf? 
  • Wo genau befindet sich der Schmerz? 
  • Wurden bereits Schmerzmittel eingenommen oder anderweitige Behandlungen ausprobiert, einschließlich homöopathischer Behandlungen? 
  • Fanden bereits Krankenhausaufenthalte oder Operationen statt, um den Schmerz zu lindern?

Die Antworten der Patientin geben der Ärztin bereits deutliche Hinweise, ob es sich um eine chronische Schmerzstörung handelt.

Eine ausführliche körperliche Untersuchung folgt im Anschluss.

Wer ist besonders gefährdet für die Entwicklung dauerhafter Schmerzen?

Prinzipiell kann jeder Mensch chronische Schmerzen entwickeln. Das Alter spielt hierbei eine eher untergeordnete Rolle. Generell neigen Menschen mit depressiven Störungen oder auch Angststörungen eher dazu, ein chronisches Schmerzsyndrom zu entwickeln. Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer.

Besonders gefährdet sind außerdem Menschen, die auf Schmerzen und Verletzungen passiv reagieren: Personen, die sich stark schonen und körperliche Aktivität meiden, wenn sie Schmerzen empfinden. Aber auch Menschen, die sich zu stark beanspruchen und ihre körperlichen Signale ignorierenentwickeln leichter chronische Schmerzen. Sowohl zu viel als auch zu wenig Schonung bei Schmerzen begünstigen demzufolge die Entstehung eines chronischen Schmerzsyndroms. 

Um Ihnen ein paar Beispiele zu geben: Eine Büroarbeiterin, die durch ihre Rückenschmerzen kaum noch Sport macht und häufig mit Wärmekissen auf dem Sofa liegt, läuft Gefahr, dass ihre Rückenschmerzen chronisch werden. Ebenso geht es jedoch der Leichtathletin, die trotz Knie- und Schienbeinschmerzen immer weiter rennt. Auch die überarbeitete Chefredakteurin riskiert, dass ihre Kopfschmerzen chronisch werden, sofern sie sie vollständig ignoriert.

Welche Arten der Schmerztherapie gibt es?

Erste Grundlage der Schmerztherapie ist, dass besonders akute Schmerzen stets ausreichend mit Schmerzmitteln behandelt werden sollten, damit sich kein Schmerzgedächtnis entwickelt. Niemand muss heutzutage unnötigerweise Schmerzen erleiden. Das bedeutet aber nicht, dass über Wochen leichthin hochdosierte Schmerzmittel eingenommen darf. Dies könnte Nieren, Leber und Magen schädigen. Lassen Sie sich daher auch bei kurzzeitigen, starken Schmerzen von einem Arzt betreuen, damit Sie keine zu starken Schmerzmittel über einen zu langen Zeitraum einnehmen.

Bei chronischen Schmerzen wird bevorzugt die sogenannte „multimodale Schmerztherapie“ eingesetzt. Diese unterliegt dem Prinzip, dass chronische Schmerzen biologische, also körperliche, psychologische und soziale Entstehungsfaktoren haben. Hieraus ergibt sich das „bio-psycho-soziale Krankheitsmodell“. Dementsprechend besteht die multimodale Schmerztherapie aus schmerzlindernden Medikamenten, Psycho- und Verhaltenstherapie sowie Physio- und Bewegungstherapie. 

Auch alternativ-medizinische Behandlungen, wie beispielsweise Akupunktur, können bei chronischen Schmerzen hilfreich sein. Vor allem bei Migräne gilt Akupunktur mittlerweile als gute Behandlungsmöglichkeit, die vielen Betroffenen helfen kann. Letztlich sollten Sie ausprobieren, was Ihnen sinnvoll erscheint. Bei chronischen Schmerzen gilt die Devise: Was hilft, das hilft.

In der Regel erfolgen die Therapien als ambulante Schmerztherapie. Nur in sehr seltenen Fällen werden betroffene Personen stationär behandelt.

Woraus besteht die multimodale Schmerztherapie?

All die oben genannten Aspekte erfordert unterschiedliche Ärzte und Therapeuten. Am besten sucht man sich als chronische Schmerzpatientin daher eine sogenannte Schmerzklinik oder ein Schmerzzentrum. Hierbei handelt es sich um interdisziplinäre Einrichtungen, in denen Schmerztherapeutinnen, Psychologinnen und Psychiaterinnen, Physiotherapeutinnen, Orthopädinnen und weitere Berufsgruppen gemeinsam eine Patientin mit chronischem Schmerzsyndrom betreuen.

Die medikamentöse Schmerztherapie beinhaltet eine Bandbreite von Medikamenten, die in einem Stufenprozess je nach Schmerzstärke eingesetzt werden. Erfahrene Schmerzmedizinerinnen erarbeiten gemeinsam mit der Patientin einen genauen Plan, wie die Medikamente am effektivsten genutzt werden.

Physiotherapeutische Verfahren beinhalten zwar auch gezielte Massagen. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf der körperlichen Aktivierung der Patientin. Durch medizinisch betreutes Krafttraining werden Muskelgruppen gestärkt, damit die betroffene, schmerzende Muskulatur entlastet wird. Hierfür müssen sich viele Betroffene von ihren bisherigen, passiven Behandlungserwartungen lösen. Bei der multimodalen Schmerztherapie wird vor allem die Patientin selbst aktiv. Ein physiotherapeutisches Verfahren ist die Schmerztherapie nach Liebscher und Bracht, die ebenfalls Übungen und Druckpunktmassagen beinhaltet.

Die psychotherapeutische Komponente der Schmerztherapie wird von vielen Menschen noch immer unterschätzt. Fakt ist jedoch, dass chronische Schmerzen, wie zum Beispiel chronische Rückenschmerzen, psychisch stark belasten. Viele Betroffene sind nicht mehr arbeitsfähig und meiden soziale Kontakte und frühere Hobbys: Sie fürchten die Schmerzen durch die körperliche Belastung oder auch Unverständnis durch ihr soziales Umfeld. Eine psychotherapeutische Betreuung dient einerseits der Entlastung, andererseits der gedanklichen Umstrukturierung. Der Fokus wird nicht mehr auf „Das kann ich nicht“, sondern auf „Das kann ich noch“ oder „Das möchte ich irgendwann wieder können“ gelegt. Diese Einstellung ist die Voraussetzung für eine wesentliche Besserung der Beschwerden. Auch Entspannungstechniken sind Bestandteil der psychotherapeutischen Behandlung.

Wie kann ich wieder schmerzfrei leben?

Ein chronisches Schmerzsyndrom ist, wie der Name bereits sagt, chronisch. Dies allein ist häufig schwer zu akzeptieren. Es erfordert viel Geduld und Durchhaltevermögen, um die Beschwerden zu lindern oder gar die Erkrankung zu heilen. 

Die vollständige Schmerzfreiheit ist ein Ziel, das leider häufig nicht erreicht wird. Auch bei der multimodalen Schmerztherapie liegt der Fokus darauf, dass Betroffene ihr alltägliches Leben wieder aufnehmen können. Natürlich müssen hierzu auch die Schmerzen gelindert werden. Diesem Zweck dient unter anderem die medikamentöse Therapie. Doch die Physio- und vor allem die Psychotherapie hat auch das Ziel, dass Betroffene wieder Vertrauen in ihre körperlichen Fähigkeiten erlangen. Viele Menschen mit chronischem Schmerzsyndrom trauen sich vieles nicht mehr zu, beispielweise Gartenarbeit. Die multimodale Schmerztherapie führt zwar leider oft nicht zur vollständigen Schmerzfreiheit, aber durch medikamentöse und Physiotherapie zumindest zur Schmerzreduktion. Die Psychotherapie ermöglicht letztlich, dass Betroffene sich realistische und erreichbare Ziele setzen, wie wieder alleine ihren Garten zu pflegen.

Voraussetzung, die Sie für eine erfolgreiche Behandlung mitbringen sollten, ist vor allem Geduld mit sich selbst, und Aufgeschlossenheit gegenüber den unterschiedlichen Behandlungsaspekten. Leider sind chronische Schmerzen keine Erkrankung, die mit einer morgendlichen Tablette gelöst ist. Mithilfe von unterschiedlichen Methoden ist sie jedoch so gut wie möglich in den Griff zu bekommen, damit Sie nicht mehr daran gehindert werden, ein erfülltes Leben zu führen.

 

Quellen:

https://www.liebscher-bracht.com

https://www.schmerzgesellschaft.de

https://ruedersdorf.immanuel.de