Verlauf und Behandlung von Mukoviszidose (Cystische Fibrose)
Medizinredakteur
Die Mukoviszidose ist eine schwere Erkrankung. Bei schweren Verläufen kann die Krankheit unbehandelt innerhalb der ersten Lebensjahre zum Tod führen. Durch interdisziplinäre Behandlungsmethoden, frühere Diagnostik und neue Medikamente hat sich die Lebenserwartung in den letzten Jahren deutlich erhöht.
Krankheitsverlauf: Wie entwickelt sich Mukoviszidose?
Wie verläuft Mukoviszidose?
Es lässt sich nicht allgemein vorhersagen, wie schnell und wie stark sich eine Mukoviszidose entwickelt. Schon das Auftreten der ersten Symptome ist sehr unterschiedlich. Wie früh und wie stark die ersten Symptome auftreten, hängt unter anderem von der zugrunde liegenden Mutation ab. Eine konsequente Therapie verzögert den Krankheitsfortschritt um viele Jahre oder Jahrzehnte.
Maßgeblich für die Lebenserwartung und die Lebensqualität ist die Funktion der Lunge. Im Laufe der Erkrankung wird das Lungengewebe zunehmend zerstört. Bei den meisten Mukoviszidose-Kranken ist die gestörte Lungenfunktion der Faktor, der zum Tode führt.
Auch die Ernährung ist ein wichtiger Faktor. Unterernährte Erkrankte versterben früher als normalgewichtige. Auch Begleiterkrankungen wie eine Leberzirrhose können das Leben verkürzen.
Eine frühe Therapie verbessert die Lebensqualität erheblich. Die Lebenserwartung ist in den letzten 20 Jahren stark gestiegen. Dies ist insbesondere auch auf einen neuen Typ von Medikamenten zurückzuführen: den CFTR-Modulatoren. Das erste Medikament aus dieser Gruppe wurde 2012 zugelassen.
Welche Krankheitsstadien gibt es bei Mukoviszidose?
Typische Krankheitsstadien gibt es nicht. Allerdings werden die Beschwerden mit der Zeit stärker und Begleiterkrankungen nehmen zu. Man weiß zum Beispiel:
- Bei 9 von 10 Kindern bis 5 Jahren ist die Bauchspeicheldrüse so stark geschädigt, dass sie nicht mehr genug Verdauungsenzyme bildet.
- Bis zum 18. Lebensjahr haben knapp 5 von 100 Menschen mit Mukoviszidose einen Diabetes entwickelt. Mit 39 Jahren sind es schon 33 von 100 Personen.
- Mit 39 Jahren haben außerdem 8 von 100 Erkrankten eine respiratorische Insuffizienz. Das heißt, dass die Lunge nicht mehr ausreichend Sauerstoff aufnehmen kann.
Welchen Einfluss hat eine Corona-Infektion?
Bei 98 Prozent der Menschen mit Mukoviszidose ist die Corona-Infektion leicht verlaufen. Das kann damit zusammenhängen, das Mukoviszidose-Patienten im Durchschnitt jünger sind. Risikofaktoren für einen schweren Verlauf einer Corona-Infektion sind ein höheres Alter und eine schlechte Lungenfunktion.
Wie fängt Mukoviszidose an?
Bei etwa jedem fünften Erkrankten macht sich die Erkrankung kurz nach Geburt durch einen Mekonium-Ileus bemerkbar. Das heißt, dass der Stuhl nicht abgeht und den Darm verschließt. Andere frühe Symptome sind, dass Babys und Kinder langsamer wachsen, sich schlechter entwickeln und immer wieder Infektionen der Atemwege haben.
Wie hoch ist die Lebenserwartung bei Mukoviszidose?
Die Lebenserwartung von Neugeborenen mit Mukoviszidose beträgt 57 Jahre. Das ist deutlich kürzer als die Lebenserwartung von Menschen ohne Mukoviszidose, diese beträgt bei Neugeborenen Jungen 79 Jahre und bei Mädchen 84 Jahre.
Die Lebenserwartung bei Mukoviszidose ändert sich mit dem aktuellen Alter der Patienten. Denn: Bei schwerer Ausprägung der Krankheit stirbt man früher. Überstehen Mukoviszidose-Patienten das „kritische Alter“ von 20-35 Jahren, dann steigt auch ihre Überlebenswahrscheinlichkeit.
Die Lebenserwartung mit Mukoviszidose beträgt
- Bei Neugeborenen 57 Jahre
- Bei 20-jährigen 58 Jahre
- Bei 30-jährigen 60 Jahre
- Bei 40-jährigen 74 Jahre
- Bei 50-jährigen 75 Jahre
Lese-Tipp!
Was kann man bei Mukoviszidose tun, um die Lebensqualität zu verbessern?
-> Lesen Sie mehr dazu in unserem Ratgeber: Leben mit Mukoviszidose
Mukoviszidose: Welche Behandlungen kommen zum Einsatz?
Die Behandlung von Mukoviszidose ist komplex und beinhaltet neben Medikamenten auch Inhalationen, Physiotherapie und eine angepasste Ernährung. Die Behandlung sollte deshalb von einem Mukoviszidose-Zentrum koordiniert werden.
Was sind die Ziele der Therapie?
Die Behandlung soll die Lebensqualität und Lebenserwartung erhöhen. Im Vordergrund steht, dass die Lungenfunktion erhalten wird und das Körpergewicht stabil bleibt.
Wie sieht eine Behandlung der Mukoviszidose aus?
Die Behandlung einer Mukoviszidose besteht aus mehreren Bausteinen:
- Inhalationstherapie: Durch tägliche Inhalationen von Medikamenten lösen sich die Sekrete in der Lunge besser und die Bronchien weiten sich. Dadurch lässt sich der Schleim besser abhusten. Bei Atemwegsinfektionen werden auch Antibiotika über Inhalation verabreicht.
- CFTR-Modulatoren: Diese Tabletten „reparieren“ CFTR-Chloridkanäle, wodurch die Sekrete im Körper wieder flüssiger werden.
- Nasenduschen: Sie entfernen Sekrete oder Krusten aus dem Nasenraum.
- Physiotherapie: Patienten lernen besondere Atemtechniken, die das Abhusten des Schleims erleichtern. Diese Techniken erhöhen die Unabhängigkeit im Alltag. Die Atemtherapie ist sehr wirksam und ist neben der medikamentösen Behandlung von zentraler Bedeutung für die Lungenfunktion.
- Ernährungsberatung und Ernährungstherapie:
- Mukoviszidose-Patienten haben häufig Untergewicht. Eine Ernährungsberatung und bewusste Ernährung sollen sicherstellen, dass die Patienten ein Normalgewicht erreichen. Die Ernährung sollte ausgewogen, hochkalorisch und mit guter Fettqualität sein (ausreichende ungesättigte und Omega-3-Fettsäuren).
- Die Erkrankung beeinträchtigt die Bauchspeicheldrüse, wodurch Enzyme zur Fettverdauung fehlen. Um das auszugleichen, bekommen Patienten Enzyme der Bauchspeicheldrüse als Tablette. Diese Tabletten werden zum Essen eingenommen.
- Auch ein Vitamin-Mangel ist häufig bei Mukoviszidose. Bei den meisten Patienten ist deshalb die zusätzliche Einnahme der Vitamine A, D, E und K notwendig.
- Mukoviszidose-Patienten verlieren mehr Körperwasser, weil sie mehr schwitzen, mehr Atmen und der Stuhlgang dünner ist. Sie sollten deshalb darauf achten, mindestens 2 Liter am Tag zu trinken. Unter Umständen sollte die Flüssigkeit mit Salz angereichert werden.
- Sport und Bewegung: Bewegung fördert die Gesundheit. Dieses allgemeine Prinzip gilt auch für Mukoviszidose. Sport verbessert die Leistungsfähigkeit und Körperhaltung und wirkt positiv auf das seelische Wohlbefinden. Patienten sollten deshalb auch bei eingeschränkter Gesundheit in Bewegung bleiben. Auch bei fortgeschrittener Krankheit sind Ausdauer- und Krafttraining möglich.
- Spezielles Beckenbodentraining bei Frauen: Der Beckenboden sollte gestärkt werden, um eine Harninkontinenz zu vermeiden.
- Beratung bei der Familienplanung: Mukoviszidose ist erblich. Die Familienplanung ist insbesondere für Frauen wichtig, da sie schwanger werden können. Männer sind in den allermeisten Fällen unfruchtbar. Auch sie können aber über eine Kinderwunschbehandlung Väter werden.
- Behandlung von Begleiterkrankungen: Neben der Mukoviszidose müssen häufig auch Begleiterkrankungen behandelt werden. Das sind dann beispielsweise eine Insulintherapie bei Diabetes, Eisensubstitution bei Eisenmangel oder eine Psychotherapie oder psychotherapeutische Begleitung bei Depressionen.
- Beatmung mit Sauerstoff: Wenn die Lunge bei fortgeschrittener Krankheit nicht mehr ausreichend funktioniert, kann die Zufuhr von Sauerstoff über eine Maske notwendig werden.
- Transplantation: Bei schwerem Krankheitsverlauf kann die Lunge so stark geschädigt sein, dass eine Lungen-Transplantation sinnvoll ist. Das Besondere: Die „neue“ Lunge ist von der Mukoviszidose nicht betroffen, da die Zellen der „neuen“ Lunge keine Genstörungen aufweisen. Bei fortgeschrittener Leberzirrhose kann auch eine Lebertransplantation sinnvoll sein.
Welche Medikamente kommen bei der Inhalationstherapie zum Einsatz?
Je nach Therapieziel sind unterschiedliche Wirkstoffe im Einsatz:
- Weitung der Bronchien: kurzwirksame β-Symphatomimetika wie Salbutamol; alternativ Anticholinergia wie Ipratrobiumbromid
- Lösen des Schleims: Mannitol, Dornase alfa und/oder Hypertone Kochsalzlösung (3-7%).
- Eindämmen der Entzündung: Glukokortikoide, meistens inhalativ
- Bekämpfung von Atemwegsinfektionen: Antibiotika bei Nachweis einer bakteriellen Infektion der Lunge oder der Atemwege.
Was sind CFTR-Modulatoren?
Bei Mukoviszidose sind die CFTR-Chloridkanäle gestört (# siehe). CFTR-Modulatoren sind Medikamente, welche die CFTR-Kanäle aktivieren oder reparieren. Dadurch wird der Schleim wieder flüssiger. Doch nicht alle Mukoviszidose-Betroffenen können mit CFTR-Modulatoren behandelt werden. Ob eine Behandlung möglich ist, hängt vom ursächlichen Gendefekt ab. Die gute Nachricht: Für die häufigsten Gendefekte bei Mukoviszidose steht ein solches Medikament aber zur Verfügung.
CFTR-Modulatoren werden als Tabletten täglich eingenommen. Im Jahr 2021 haben 45% der unter 18-jährigen Patienten CFTR-Modulatoren bekommen, bei den über 18-Jährigen waren es 77%. Dabei wird das Medikament Kaftrio am meisten eingesetzt.
Welche CFTR-Modulatoren gibt es?
Die Modulatoren unterscheidet man nach ihrem Wirkmechanismus in sogenannte Potentiatoren und Korrektoren:
- Potentiatoren:
- Sie aktivieren vorhandene CFTR-Kanäle.
- Derzeit ist nur ein Wirkstoff verfügbar: Ivacaftor
- Korrektoren:
- Sie unterstützen die Bildung von CFTR-Kanälen in der Zelle.
- Die Wirkstoffe sind: Lumacaftor, Tezacaftor, Elexacaftor
- Weitere CFTR-Modulatoren sind in der Entwicklung
Handelsname | Wirkstoffe | Alter | Einsetzbar bei Mutation |
Kalydeco | Ivacaftor | Ab 4 Monaten | G551D, G1244E, G1349D, G178R, G551S, S1251N, S1255P, S549N, S549R, R117H |
Orkambi | Ivacaftor, Lumacaftor | Ab 1 Jahr | Zwei F508del-Mutationen |
Symkevi | Ivacaftor, Tezacaftor | Ab 6 Jahren | Zwei F508del-Mutationen oder eine F508del-Mutation in Kombination mit einer der folgenden: P67L, R117C, L206W, R352Q, A455E, D579G, 711+3A→G, S945L, S977F, R1070W, D1152H, 2789+5G→A, 3272-26A→G und 3849+10kbC→T |
Kaftrio | Ivacaftor, Tezacaftor, Elexacaftor | Ab 2 Jahren | Mindestens eine F508del-Mutation |
Was kosten CFTR-Modulatoren?
CFTR-Modulatoren sind sehr teuer. Das Medikament Kaftrio kostet für 1 Jahr etwa 250.000€, also etwa 21.000 € im Monat. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten, wenn sich das Medikament für die jeweilige Genmutation eignet.
Wann sollte die Mukoviszidose-Behandlung beginnen?
Grundsätzlich sollte eine Therapie möglichst früh nach Diagnose der Erkrankung starten. Viele Medikamente können bereits in früher Kindheit eingesetzt werden.
Ist Stillen für Babys mit Mukoviszidose geeignet?
Wenn möglich, sollte ein an Mukoviszidose erkranktes Neugeborenes gestillt werden. Muttermilch fördert die Gesundheit und stärkt die Abwehrkräfte. Am dem 5. Monat sollte mit Beikost begonnen werden. Wenn das Neugeborene nicht genug wächst, sollte die Beikost angereichert werden oder energiereiche Säuglingsmilch genutzt werden.
Wie wichtig sind Impfungen?
Menschen mit Mukoviszidose sind stärker gefährdet für Infektionen. Das Risiko ist insbesondere für Infektionen der Atemwege stark erhöht. Atemwegserkrankungen sind bei Mukoviszidose häufiger und verlaufen stärker. Kinder sollten deshalb unbedingt nach den STIKO-Empfehlungen geimpft werden. Zusätzlich sollten Impfungen gegen Hepatitis A sowie eine jährliche Grippe-Impfung (Influenza-Impfung) erfolgen. Eine jährliche Auffrischung der COVID-Impfung ist nach aktuellem Stand nicht notwendig – außer es lag eine Organtransplantation vor.
Was ist bei der Hygiene zu beachten?
Auch wenn Betroffene schneller an einer Atemwegsinfektion erkranken – Panik vor einer Ansteckung brauchen sie nicht zu haben. Auch Mukoviszidose-Patienten können ein starkes Immunsystem entwickeln. Wichtig ist eine gute Händehygiene – also das Händewaschen, wenn man nach Hause kommt, nach dem Tiere streicheln und vor dem Essen. Denn die meisten Krankheitserreger der Atemwege werden über die Hände übertragen. Eine Desinfektion der Hände oder die Nutzung von Feuchttüchern ist im Alltag allerdings nicht erforderlich.
Im Kinderzimmer sollte auf Blumen verzichtet werden, da sich im Wasser oder der feuchten Erde der Erreger Pseudomonas aeruginosa ansiedeln kann.
Wo finde ich Mukoviszidose-Zentren?
Mukoviszidose-Zentren sind über Deutschland verteilt. Zentren in Ihrer Nähe können Sie hier finden.,
Wie lange kann man mit einer Spenderlunge noch leben?
Hierzu gibt es nur allgemeine Zahlen über alle Lungentransplantationen – also bei jeglichem Alter und auch bei anderen Erkrankungen als Mukoviszidose. Dort beträgt das Überleben nach einem Jahr 77%, nach 5 Jahren 59% und nach 10 Jahren 41%. Menschen unter 50 haben eine deutlich bessere Überlebensrate als über 50-Jährige.
Was passiert, wenn man Mukoviszidose nicht behandelt?
Wenn eine Mukoviszidose nicht behandelt wird, dann ist das Risiko hoch, früh zu sterben. Ohne Therapie beträgt die Lebenserwartung unter 5 Jahre.
Ist Mukoviszidose heute heilbar?
Die Erkrankung ist aktuell nicht heilbar, da die veränderten Gene nicht „repariert“ werden können. Durch CFTR-Modulatoren kann aber häufig ein Teil der gestörten CFTR-Kanäle wieder funktionsfähig gemacht werden.
Wie ist der aktuelle Forschungsstand zur Mukoviszidose?
Aktuell sind weitere CFTR-Modulatoren in Entwicklung. Derzeit können etwa 85 % der Mukoviszidose-Patienten in Deutschland mit einem CFTR-Modulator behandelt werden. Durch neue Modulatoren könnte dieser Anteil erhöht werden.
Daneben wird an weiteren Strategien zur Therapie geforscht:
- Gentherapie: Das Ziel der Gentherapie ist, das veränderte Gen zu „reparieren“. Hierzu muss ein Wirkstoff in die Körperzellen gelangen und in der DNA das richtige Gen korrigieren. Daran wird schon seit Längerem geforscht, ein Durchbruch ist bisher noch nicht gelungen.
- Normalisierung des Salz-Wasser-Haushaltes: Neben dem CFTR-Chloridkanal gibt es weitere „Salzkanäle“ in den Zellen. Die Idee ist, dass andere „Salzkanäle“ die gestörte Funktion des CFTR-Kanals ausgleichen. So ist denkbar, dass ein Medikament andere Chlorid-Kanäle aktiviert.
- neue Antibiotika: Ein Problem der Mukoviszidose sind langwierige Lungeninfektionen. Manche Krankheitserreger sind gegen viele Antibiotika resistent. Neue Antibiotika könnten die Behandlung deshalb verbessern.
- anti-entzündliche Wirkstoffe: Bei Mukoviszidose ist die Lunge häufig entzündet. Die Entzündung wiederum schädigt das Lungengewebe. Ziel der Forschung ist, mit zielgenauen Wirkstoffen die Entzündung zu hemmen.
Wird Mukoviszidose irgendwann heilbar sein?
Irgendwann könnte die Mukoviszidose heilbar sein. In naher Zukunft ist eine Heilung allerdings nicht in Sicht. Denn das würde bedeuten, dass man den Gendefekt korrigieren kann. Derzeit ist noch keine Methode verfügbar, die dies zuverlässig kann.
Wissen in der Box: Verlauf von Mukoviszidose
Der älteste Patient in Deutschland, der im Register von Mukoviszidose e.V. registriert ist, war im Jahr 2021 83 Jahre alt.
1989 betrug die Lebenserwartung von Neugeborenen mit Mukoviszidose etwas über 25 Jahre
2024 beträgt die Lebenserwartung von Neugeborenen mit Mukoviszidose über 57Jahre.