Ulcus cruris – Ursachen und Behandlung des offenen Beins
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Der komplizierte Begriff „Ulcus cruris“ wird im Volksmund auch als „offenes Bein“ oder „Unterschenkelgeschwür“ bezeichnet. Es handelt sich um ein sehr häufiges, hartnäckiges Krankheitsbild der zweiten Lebenshälfte und entsteht auf der Basis häufiger Erkrankungen wie zum Beispiel dem Diabetes mellitus.
Sowohl für Betroffene als auch für pflegende Angehörige stellt das offene Bein häufig eine Herausforderung dar. Die Wunden heilen typischerweise nur sehr langsam und infizieren sich leicht. Dies wirft viele Fragen auf. Wie kann man dem offenen Bein vorbeugen? Voran erkennt man ein beginnendes Ulcus cruris? Und wie wird es behandelt?
Dieser Artikel beantwortet Ihnen diese und einige weitere Fragen. Falls Sie selbst an einem Ulcus cruris leiden oder weitere Fragen zu diesem Thema haben, so stehen Ihnen Ihr Hausarzt oder Ihre Hausärztin zur Seite.
Die Definition von Ulcus cruris
Der Begriff „Ulcus cruris“ bezeichnet eine meist tiefe, offene Wunde bzw. ein Geschwür („Ulcus“) des Unterschenkels („Crus“) oder Fußes. Im Volksmund bezeichnet man das Krankheitsbild auch als offenes Bein. In der Regel verläuft ein Ulcus cruris chronisch und heilt nur schlecht und langsam ab.
Im Hintergrund steht nahezu immer eine begünstigende Grunderkrankung. Die drei häufigsten Ursachen eines Ulcus cruris sind:
- Periphere arterielle Verschlusskrankheit
- Chronisch-venöse Insuffizienz (Venenschwäche)
- Ein diabetisches Fußsyndrom im Rahmen eines Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
Eine Gemeinsamkeit aller dieser Erkrankungen ist eine Durchblutungsstörung im Bereich der Beine. Hierbei gibt es zwei unterschiedliche Mechanismen:
- Venen transportieren das Blut aus dem Körper zurück zum Herzen. Die chronisch-venöse Insuffizienz (Venenschwäche) entsteht durch eine Schädigung der Venenklappen in den Beinvenen. Dadurch kann das Blut schlechter abtransportiert werden und staut sich in den Beinen. Der erhöhte Druck schädigt das umgebende Gewebe und kann so zu tiefen Wunden führen. Es entsteht ein Ulcus cruris venosum.
- Arterien führen das Blut vom Herzen in den restlichen Körper. Bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) und beim diabetischen Fußsyndrom sind die Arterien durch arteriosklerotische Plaques teilweise verschlossen. Das Gewebe wird schlechter mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt und es bilden sich ebenfalls Wunden. Es entsteht ein Ulcus cruris arteriosum.
- Bei einem Ulcus cruris mixtum liegen beide Entstehungsmechanismen gleichzeitig vor.
- Seltener kann ein offenes Bein im Rahmen anderer Erkrankungen entstehen.
Die Stadien von Ulcus cruris im Überblick
Die Stadien richten sich im Wesentlichen nach der Tiefe der Wunde, betroffenen Strukturen wie Knochen und Bändern und dem Zustand des umgebenden Gewebes.
Grad 1 | Das Ulcus betrifft die Oberhaut (Epidermis) und Lederhaut (Dermis), hat aber noch nicht die Unterhaut (Subkutis) erreicht. |
Grad 2 | Das Ulcus reicht bis in die Unterhaut (Subkutis). |
Grad 3 | Das Ulcus erreicht eine Sehne, einen Knochen, ein Band oder ein Gelenk. Diese:r ist beim genauen Blick in die Wunde sichtbar. |
Grad 4 | Siehe Grad 3, zusätzlich Vorhandensein eines Abszesses und/oder einer Knochenmarkentzündung (Osteomyelitis). |
Grad 5 | Siehe Grad 4, zusätzlich Vorhandensein von abgestorbenem (nekrotischem) Gewebe/Gangrän in der Wunde. |
Grad 6 | Siehe Grad 5, außerdem Gangrän des umgebenden Gewebes. |
Ein offenes Bein im Anfangsstadium kann zwar recht harmlos aussehen, sollte aber nicht unterschätzt werden. Ohne eine Behandlung und angemessene Wundversorgung kann sich die Wunde rasch vergrößern und dramatische Ausmaße annehmen.
So erkennen Sie einen beginnenden Ulcus cruris
Insbesondere für pflegende Angehörige ist es wichtig, die frühen Anzeichen einer Beinwunde mit Potential sich in ein offenes Bein auszuweiten, zu erkennen. Nicht jede:r Pflegebedürftige weist darauf hin, wenn es an den Beinen zu einer geringen Schmerzbildung kommt. Das Frühzeichen eines beginnenden Ulcus cruris sind meist Hautveränderungen. Dies können zum Beispiel Hautrötungen, Pigmentierungsstörungen, aber auch eine dünne, pergamentartige und sehr empfindliche Haut sein. Meist entstehen an der entsprechenden Stelle schneller Kratzer, blaue Flecken und kleine Wunden. Auch Stellen, an denen Sie oder Ihr:e Angehörige:r bereits ein Unterschenkelgeschwür hatten, sind gefährdeter, ein neues zu entwickeln.
In der nächsten Stufe bildet sich eine kleine Wunde, die nicht abheilt. Häufig nässt sie, sondert also Flüssigkeit ab. Meist handelt es sich dabei um klares oder trübes Sekret. In der Regel blutet die Wunde nicht aktiv und stark.
Wird die Wunde nicht versorgt, so kann sie sich vergrößern und in die Tiefe wachsen. In späten Stadien kann sie sogar bis auf den Knochen reichen oder Sehnen und Bänder freilegen.
Die begleitenden Beschwerden sind je nach Art des Ulcus unterschiedlich.
- Ulcus cruris venosum: Üblicherweise ist die Wunde nicht oder kaum schmerzhaft, kann sich jedoch stark ausdehnen und sehr groß werden. Eine typische Stelle ist etwas oberhalb des Innenknöchels. Zusätzlich sind die Beine schwer und müssen öfter hochgelegt werden.
- Ulcus cruris arteriosum: Häufig sind die Wunden stark schmerzhaft, außer bei Vorliegen eines schweren diabetischen Fußsyndroms. Typische Stellen sind der Außenknöchel, der äußere Fußrand, Ferse und Zehen. Die Pulse an Füßen und Innenknöcheln sind schwächer, als Zeichen der verminderten Durchblutung.
Suchen Sie in jedem Fall Ihren behandelnden Hausarzt bzw. Hausärztin auf, wenn Ihnen Wunden an den Beinen, aber auch an anderen Körperstellen, auffallen, die nicht abheilen. Mitunter kommt es vor, dass Betroffenen die Wunden unangenehm sind, weswegen ein Arztbesuch lange vermieden wird. Versuchen Sie, sich zu vergegenwärtigen, dass Ärzte und Ärztinnen täglich viele offene Beine sehen und Sie sich dessen keinesfalls schämen müssen. Je früher mit der Behandlung begonnen wird, desto besser und schneller sind die Heilungschancen.
Ulcus cruris begünstigende Faktoren
Die Risikofaktoren sind im Wesentlichen die Risikofaktoren der entsprechenden begünstigenden Grunderkrankungen (siehe oben).
Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) |
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Chronisch-venöse Insuffizienz |
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Diabetes mellitus |
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In aller Regel bekommen völlig gesunde Menschen ohne entsprechende Vorerkrankungen kein Ulcus cruris. Falls dies dennoch auftreten sollte, so sollte bei nächster Gelegenheit ein Arzt bzw. eine Ärztin aufgesucht werden.
Die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten bei Ulcus cruris
Die Behandlung besteht aus mehreren Pfeilern. Je nach Stadium wird der oder die behandelnde Ärzt:in die notwendigen Behandlungsschritte durchführen.
Behandlung der Grunderkrankung
Wichtigster Pfeiler ist die Behandlung der Grunderkrankung. Wenn zum Beispiel eine Durchblutungsstörung im Rahmen einer pAVK nicht behoben wird, so kann die Wunde auch kaum abheilen. Die Maßnahmen richten sich nach der Art der Erkrankung und können vom Hausarzt bzw. von der Hausärztin verordnet werden.
Ein weiterer Pfeiler besteht aus unterstützenden Maßnahmen. Diese richten sich nach der Art des Ulcus.
- Ein Ulcus cruris venosum wird durch Kompression und Bewegung Hierfür können zum Beispiel speziell angefertigte Kompressionsstrümpfe verwendet werden. Halten Sie sich hier genau an die Anweisungen Ihres Arztes bzw. Ihrer Ärztin! Eine falsche Anwendung der Kompressionsstrümpfe kann die Wundheilung zusätzlich behindern.
- Bei einem Ulcus cruris arteriosum stehen der Rauchverzicht, Bewegung sowie eine Förderung der Durchblutungssituation im Vordergrund. Kompressionsstrümpfe spielen hier ausdrücklich keine Rolle.
Eine ebenso wichtige Maßnahme ist die gezielte Wundversorgung. Lassen Sie sich hierfür ausreichend von Ihrem behandelnden Arzt bzw. Ihrer Ärztin beraten und fragen im Zweifel nach. Auch Krankenkassen bieten immer wieder Kurse zur Versorgung des offenen Beines an.
Zögern Sie nicht, diese in Anspruch zu nehmen, da eine gute Wundversorgung maßgeblich zur Heilung beiträgt. Falls Sie nicht in der Lage sind, die Versorgung selbst durchzuführen, kann eine spezielle Fachkraft Sie auf Antrag hin zu Hause bei der Pflege des Ulcus cruris unterstützen.
Die medikamentöse Therapie
Wenn durch das offene BeinKrankheitserreger tief in die Wunde eindringen und sich ausbreiten, kann es zu Infektionen des ganzen Beines, oder im Extremfall, zu einer Sepsis kommen. In diesem Fall sind eine Antibiotikatherapie und möglicherweise auch ein Krankenhausaufenthalt notwendig, bei dem die Wunde auch chirurgisch gereinigt wird.
Die Amputation
Die letzte Behandlungsmöglichkeit ist die Amputation des betroffenen Beinabschnittes. Mediziner und Medizinerinnen treffen diese Entscheidung nicht leichtfertig, allerdings kann es bei sehr schweren Infektionen notwendig sein, um das Leben des oder der Betroffenen zu retten.
Achtung: Versuchen Sie nicht, Ihr Ulcus cruris auf eigene Faust mit Medikamenten, Hausmitteln oder Salben zu behandeln, sondern sprechen Sie dies vorher mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin ab! Besonders die beliebte Zinksalbe darf ohne ärztlichen Rat beim offenen Bein nicht verwendet werden, da sie die Wunde verschlimmern kann.
Vorbeugende Maßnahmen gegen Ulcus cruris
Die effektivste Vorbeugung besteht aus einer Vermeidung der begünstigenden Erkrankungen. Dies ist bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit und Diabetes mellitus durch eine Lebensstilanpassung und, wenn nötig, Medikamente relativ gut möglich. Eine chronisch-venöse Insuffizienz jedoch lässt sich leider nur bis zu einem gewissen Grad vorbeugen, da auch genetische und nicht beeinflussbare Faktoren eine Rolle spielen.
Regelmäßige Bewegung sowie gesunde Ernährung spielen eine entscheidende Rolle bei der Vorbeugung aller drei Erkrankungen. Falls eine der Krankheiten bereits vorhanden ist, so können Sie durch die richtige, konsequente Therapie ebenfalls einem offenen Bein vorbeugen. Besonders beim diabetischen Fußsyndrom im Rahmen eines Diabetes mellitus bieten die meisten Hausärzte spezielle Fußuntersuchungen an und können Ihnen medizinische Fußpflege verschreiben.
Falls Sie oder ein:e pflegebedürftige:r Angehörig:r bereits an einer oder mehreren dieser Krankheiten leiden, so können Sie einem Ulcus cruris zusätzlich vorbeugen, indem Sie täglich aufmerksam die Unterschenkel und Füße untersuchen. Besonders bei Diabetes mellitus ist dies maßgeblich, da durch häufig vorkommende, begleitende Nervenschäden die Schmerzempfindung herabgesetzt ist und kleine Wunden nicht bemerkt werden.
Prüfen Sie die Beine und Füße täglich auf neue Wunden, Kratzer, Rötungen und ungewöhnliche Pigmentierungen. Vergessen Sie hierbei nicht die Fußsohlen, Zehenunterseiten, Fersen und Zehenzwischenräume. Gerade die schwer einsehbaren Stellen sind häufig betroffen. Fällt Ihnen ein Kratzer oder eine Wunde auf, die auch nach einigen Tagen nicht abheilen oder sogar größer werden, so suchen Sie bei nächster Gelegenheit den behandelnden Hausarzt bzw. Hausärztin auf.
Wissen in der Box: Ulcus cruris
Ein Ulcus cruris bezeichnet eine tiefe, offene, meist nässende Wunde am Unterschenkel, die kaum und nur sehr langsam abheilt.
Die Stadien werden durch die Tiefe der Wunde und die betroffenen Strukturen bestimmt. Durch die Gradzahl wird der Schweregrad des Ulcus beschrieben.
Im Vordergrund steht die offene Wunde. Zusätzlich kommen Schmerzen, Bewegungs- und Laufeinschränkungen sowie im späteren Verlauf gefährliche Knochen- und Weichteilinfektionen vor.
Die Grunderkrankungen, bei denen ein Ulcus cruris gehäuft entstehen kann, sind die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK), die chronisch-venöse Insuffizienz sowie der Diabetes mellitus.
Die Behandlung beinhaltet die Therapie der Grunderkrankung, allgemein unterstützende Maßnahmen sowie die gezielte Wundversorgung.
Den begünstigenden Grunderkrankungen kann teilweise vorgebeugt werden. Bei Vorliegen einer der Erkrankungen sollten außerdem täglich Beine und Füße nach offenen Stellen abgesucht werden.