pflegenotstand

Pflegenotstand – Problem einer alternden Gesellschaft

Picture of Elisabeth Vatareck
Elisabeth Vatareck

Mehr über die Autorin erfahren

Über 4,1 Millionen Menschen sind in Deutschland pflegebedürftig (Stand 2019). Diese Zahl nimmt stetig zu und wird Prognosen von Statista zufolge im Jahr 2060 auf über 4,6 Millionen ansteigen. All diese Menschen sind auf Betreuung angewiesen, da sie sich nur noch eingeschränkt selbst versorgen können. Dafür sind ausgebildete Pflegekräfte notwendig, die auf die individuellen Bedürfnisse der Pflegebedürftigen eingehen. Der aktuell herrschende Pflegenotstand macht diese Situation dramatisch.

Seit einigen Jahren herrscht hier nämlich ein Ungleichgewicht: Immer mehr Pflegebedürftige müssen von immer weniger Pflegekräften betreut werden. Sicher sind Sie in den Medien bereits dem Begriff Pflegenotstand begegnet. Er beschreibt dieses Problem. Insbesondere seit der Corona Pandemie hat es sich drastisch verschärft. 

Konkret bedeutet Pflegenotstand, dass in Pflegeinstitutionen ein akuter Personalmangel herrscht. Dafür gibt es vielfältige Gründe. Das zentrale Problem sind jedoch die Arbeitsbedingungen in der Pflege. Viele Menschen sind daher nicht bereit, in diesem Bereich zu arbeiten. Den Fragen, warum es so weit gekommen ist und wie dem entgegengesteuert werden kann, gehen wir hier auf den Grund. 

Inhalt

Pflegenotstand – Definition

Es besteht ein großer Mangel an Personen, die beruflich kranke, behinderte und alte Menschen in Heimen und Krankenhäusern pflegen und betreuen. So lautet die Pflegenotstand Definition. 

Der Begriff Pflegenotstand stammt aus den 1960er und 1970er Jahren, als in Deutschland Krankenhäuser und die Altenpflege ausgeweitet wurden. In der Folge kam es zu massivem Personalmangel. Es wurde daher häufig ausländisches Pflegepersonal eingesetzt, um dem Notstand entgegen zu wirken. Die Pflegedienste fanden und finden einfach nicht genug deutsche Pflegekräfte.

Pflegenotstand – Entwicklung und Folgen

Das Problem Pflegenotstand in Deutschland besteht also seit Jahrzehnten. Der Versorgungsengpass in der Alten- und Krankenpflege hängt stark mit dem andauernden Pflegekräftemangel zusammen. Der demographische Wandel befeuert dieses Problem in dreifacher Weise. Die Menschen in Deutschland werden immer älter, weshalb man sie daher länger pflegt. Zudem steigt mit zunehmendem Alter die Wahrscheinlichkeit einer Pflegebedürftigkeit. Die geburtenstarken Jahrgänge, von denen aktuell viele in der Pflege beschäftigt sind, werden ab 2030 in Rente gehen. Das verschärft den Pflegenotstand noch stärker. 

In den Nachrichten liest man daher oft fatale Schlagzeilen, die desolate Zustände in Pflege- und Altenheimen beschreiben. Und die Politik erscheint diesen Themen gegenüber oft beinahe machtlos. Fachkräftemangel, knappe Personalschlüssel und kurze Ausübung des Pflegeberufs führen zu einem dramatischen Bild. 

Auf sich alleine gestellte Senior:innen müssen stundenlang auf einen Toilettengang warten und wollen daher kaum noch trinken. Finanzen rücken für Pflegeheime in den Vordergrund. Je höher die Pflegebedürftigkeit ist, umso mehr zahlen die Pflegeversicherungen. In der Folge wird in der Altenpflege Selbstständigkeit nicht gefördert. Das Gegenteil ist leider sogar häufig der Fall, sodass durch schlechte Pflege Geld verdient wird. 

Doch das gilt bei Weitem nicht für alle Pflegeheime und Pflegedienste. Möchten Sie zum Beispiel eine:n Ihrer Angehörigen in einem Altenpflege-Heim unterbringen, können Sie sich vorher über die Einrichtung informieren. Ein Besuch vor Ort und ein Gespräch mit den Mitarbeitenden gibt Aufschluss über die dortigen Verhältnisse. In den meisten Einrichtungen werden die Patientinnen und Patienten würdevoll behandelt und gepflegt.

Die Situation des Pflegenotstands aktuell in Deutschland

Aktuell arbeiten in Deutschland 1,4 Millionen Pflegekräfte. Sie sorgen für über vier Millionen Patientinnen und Patienten. Die Pflegenotstand Statistik kommt aktuell auf eine Lücke von 120.000 Pflegekräften. Die meisten Kliniken in Deutschland erreichen den Personalerfüllungsgrad der Pflegepersonalregelung (PPR) daher nicht. 

An die Arbeitsagentur werden jedoch nur 40.000 offene Stellen gemeldet. Grund hierfür sind ein hoher bürokratischer Aufwand, sowie geringe Erfolgsaussichten, Pflegekräfte mithilfe der Arbeitsagentur zu finden. 

Der Pflegenotstand ist durch Corona noch einmal verschärft worden. Die zusätzliche Arbeitsbelastung durch die Pandemie durch pflegeintensivere Patienten, krankheits- oder quarantänebedingter Ausfall von Kollegen sowie die geringe Wertschätzung führen zu einer enormen Belastung des Pflegepersonals. Laut einer Studie von Juli 2020 führt die Pandemie bei Pflegekräften zu verstärkter psychischer Belastung mit Ängsten, Schlafstörungen und depressiven Symptomen.

Unabhängig von Corona dürfte sich der Pflegenotstand in den nächsten Jahrzehnten noch weiter zuspitzen. Man geht von über 4,5 Millionen Pflegebedürftigen ab 2060 aus. Ein gleichzeitiger Rückgang der Pflegekräfte in Deutschland wird dann voraussichtlich zu einer Personallücke von 350.000 bis 500.000 führen. Es ist daher notwendig, in der Zukunft ein nachhaltig finanzierbares System zu schaffen. Nur so kann nicht nur die aktuelle, sondern auch die zukünftige Generation von einer zuverlässigen Pflege profitieren.

Mit der Pflegereform 2021 versucht die Politik ein Zeichen zu setzen und wichtige Schritte zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Pflegebereich zu erreichen. 

Gründe für den Pflegenotstand

Der Pflegenotstand hat vielfältige Gründe. Sowohl unser Gesellschaftssystem als auch das Pflegesystem tragen zum Notstand bei. Konkret sind die Probleme:

  • Das Finanzierungssystem der Pflegeeinrichtungen, das auf der Pflegeversicherung beruht. Es erlaubt teilweise keine Einstellung von notwendigem Pflegepersonal.
  • Der demographische Wandel in Deutschland. Immer mehr ältere Menschen sind auf die Versorgung von immer weniger jüngeren Menschen angewiesen. 
  • Schlechte Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche. Die Pflegekräfte haben viel Stress und hohe psychische, sowie körperliche Belastungen bei der Arbeit am Patienten. Zudem wird die Arbeit von Patienten, Einrichtungen und der Gesellschaft kaum wertgeschätzt. Dadurch verlieren viele Pfleger und Pflegerinnen die Motivation und suchen nach Tätigkeiten in anderen Branchen. 
  • Niedrige Gehälter bei harten und anspruchsvollen Bedingungen. Im Durchschnitt erhalten ausgebildete Altenpfleger:innen 2.621 Euro brutto im Monat und Krankenpfleger:innen 3.180 Euro. 
  • Zeitarbeitsfirmen, da sind sich Krankenhäuser, Pflegeheime und Politik einig, verschärfen den Notstand. Hohe Margen der Zeitarbeitsfirmen drücken die geringen Gehälter der Pflegeeinrichtungen. Leiharbeiter sind häufig nicht in die Prozesse eingearbeitet, erhalten jedoch deutlich höhere Gehälter bei geringeren Arbeitszeiten. Das führt zu einer erhöhten Frustration bei festangestellten Pflegekräften, die in der Regel im Schichtdienst arbeiten müssen. 
  • Ein Trend zur stationären Pflege. Der Pflegeschlüssel liegt in der ambulanten Pflege bei einer Pflegekraft pro zwei Pflegebedürftigen. In der stationären Pflege liegt das Verhältnis jedoch in etwa bei eins zu eins. Dadurch wird hier mehr Pflegepersonal benötigt.

Pflegebereiche mit dem größten Notstand

Besonders hoch ist der Pflegenotstand in der Altenpflege. Hier dauert es laut dem Bundesgesundheitsministerium durchschnittlich 171 Tage, bis eine offene Stelle mit einer ausgebildeten Fachkraft besetzt wird. Das liegt vor allem daran, dass nur wenige Arbeitssuchende die geeignete Qualifikation für die Altenpflege besitzen. 

Auch ist der Pflegenotstand im Krankenhaus ein akutes Problem. Die Fluktuation junger Pflegekräfte ist sehr hoch und verschärft die Gesamtsituation. Viele junge ausgebildete Pflegekräfte bleiben nicht lange in ihrem Beruf, weil sie mit der hohen Arbeitsbelastung bei geringem Lohn unzufrieden sind. 

In der ambulanten Pflege ist Pflegenotstand ein ebenso großes Thema. Viele pflegende Angehörige finden kaum Intensivpfleger in ihrer Region. Pflegedienste müssen die zu viele Anfragen ablehnen. Bei ihnen herrscht großer Personalmangel. Dieses Problem hat vielschichtige Gründe, an denen Krankenkassen und Gesetzgeber beteiligt sind. Die Folgen sind, dass ambulante Pflegekräfte im Schnitt über 900 Euro brutto weniger im Monat verdienen als stationäre Pflegerinnen. Es fällt den ambulanten Pflegediensten daher besonders schwer Personal zu finden.

Maßnahmen, die dem Pflegenotstand entgegenwirken sollen

In der Politik ist der Pflegenotstand seit einigen Jahren ein wichtiges Thema, das zunehmend ernst genommen wird. 2020 sind einige Gesetze beschlossen worden, die dem Pflegenotstand entgegenwirken sollen:

  • Eine Generalistikausbildung wird eingeführt. Das bedeutet, dass es keine separate Ausbildung mehr für Alten-, Gesundheits- und Krankenpfleger geben wird. Stattdessen wird es eine Ausbildung mit dem Abschluss „Pflegefachmann“ oder „Pflegefachfrau“ geben. Sie ist von der EU anerkannt. Die Ausbildung ist in Deutschland gratis und muss vergütet werden.
  • Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll Pflegekräften aus dem Ausland die Arbeit und Einreise erleichtern.
  • Mit einem Gesetz für bessere Löhne in der Pflege werden verbindliche Lohnuntergrenzen geschaffen. Auch ein Tarifvertrag ist in der Pflegereform 2021 vorgesehen. Er wird erstmals mit der Gewerkschaft Verdi und der neuen Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) abgeschlossen.
  • Zur Verbesserung der Pflege im Krankenhaus sollen die Personalkosten für die Pflege am Bett in jedem Krankenhaus ermitteln werden. Dafür sollen die Kostenträger zahlen.

Die Zukunft in der Pflege

Trotz dieser Maßnahmen sehen einige Experten die Zukunft kritisch. Sie fordern weitere Maßnahmen, um den Pflegenotstand zu beheben. Unter den Forderungen ist weiterhin

  • Die Einführung eines verbindlichen Personalschlüssels für Kliniken
  • Verbesserung der Einstiegs-, Umstiegs- und Fortbildungschancen 
  • Die Möglichkeit für längere bezahlte Arbeitszeiten

Nur wenn die Politik mit allen Verantwortlichen an einem Strang zieht, ist das Problem Pflegenotstand in Deutschland zu lösen. Die Politik hat weiterhin die Aufgabe zu vermitteln und gute Bedingungen zu schaffen damit es auch den alten Einwohnern an nichts fehlt. Krankenkassen, Pflegeheime und Pfleger:innen sollen optimal kooperieren können. So wird es in Zukunft möglich sein, den Pflegenotstand zu reduzieren

Quellen:

Wissen in der Box: Pflegenotstand

Es besteht ein gravierender Mangel an Personen, die beruflich kranke, behinderte und alte Menschen in Heimen und Krankenhäusern pflegen und betreuen.

Aktuell sorgen in Deutschland 1,4 Millionen Pflegekräfte für 3,7 Millionen Patientinnen und Patienten. Dadurch besteht eine Lücke von 120.000 Pflegekräften. 

Es gibt demographisch bedingt insgesamt mehr Pflegebedürftige. Gleichzeitig entfallen immer mehr Pflegekräfte aufgrund zunehmend schlechter Arbeitsbedingungen und niedriger Gehälter sowie durch weniger Nachwuchskräfte.

Besonders in der Altenpflege, aber auch in Krankenhäusern und bei ambulanten Pflegediensten herrscht Pflegenotstand.

Ab Juli 2021 soll eine umfassende Pflegereform in Kraft treten, die sowohl den Pflegekräften als auch den Pflegebedürftigen zugutekommen soll.