Stuhlinkontinenz – Ist die Darmstörung heilbar?

Elisabeth Vatareck
Elisabeth Vatareck

Mehr über die Autorin erfahren

Inhaltsverzeichnis

Bis zu fünf Millionen Menschen in Deutschland leiden laut der Deutschen Kontinenzgesellschaft unter Stuhlinkontinenz. Für Betroffene ist diese Erkrankung mit einem zutiefst unangenehmen Schamgefühl verbunden und sie trauen sich häufig nicht einmal, mit ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin darüber zu sprechen.

Durch ihre Angst vor einem peinlichen Malheur, bei dem unkontrolliert Stuhl oder Winde entweichen, ziehen sich viele stuhlinkontinente Menschen zurück. Sie vermeiden sich mit Freund:innen und Familie zu umgeben und leiden in der Folge schwer unter der sozialen Isolation.

Das muss jedoch nicht sein, denn es gibt vielfältige Therapiemöglichkeiten, mit denen eine Stuhlinkontinenz behandelt und Lebensfreude zurückgewonnen werden kann. Außerdem gibt es zahlreiche Stuhlinkontinenz Hilfsmittel, die bei Darminkontinenz einen normalen Alltag ermöglichen.

Falls Sie den Verdacht haben, selbst an einer Stuhlinkontinenz zu leiden oder ein:e Angehörige:r von Ihnen betroffen ist, scheuen Sie sich nicht vor einem Gespräch mit Ihrem Arzt bzw. Ihrer Ärztin oder dem Arzt bzw. der Ärztin des Angehörigen. Er oder sie wird das Thema diskret behandeln und eine geeignete Therapie vorschlagen, die die Inkontinenz und damit auch die eingebüßte Lebensqualität verbessern können.

Die Definition der Stuhlinkontinenz

Stuhlinkontinenz oder Darminkontinenz bezeichnet den Verlust der Fähigkeit, seinen Stuhlabgang oder das Entweichen von Darmgasen zu kontrollieren. Dabei handelt es sich um eine der unangenehmsten Erkrankungen, die insbesondere im Alter auftreten. Ursachen können Verstopfung oder Durchfall sein, im fortgeschrittenen Alter liegen jedoch meist Muskel- und Nervenschäden zugrunde. Eine Stuhlinkontinenz kann in verschiedenen Formen auftreten und hat verschiedene Ursachen. Sie variiert von einem unkontrollierten Entweichen von Winden über gelegentlichen Stuhlaustritt bis hin zum kompletten Verlust der Stuhlkontrolle. In vielen Fällen wird die Stuhlinkontinenz zusätzlich durch Harninkontinenz begleitet. Für beide Erkrankungen gibt es jedoch wirksame Behandlungsmethoden.

Die Symptome einer Stuhlinkontinenz

Die Stuhlinkontinenz Symptome werden in Abhängigkeit ihres Ausmaßes in drei Schweregrade eingeteilt.

Stuhlinkontinenz Grad I:

Gelegentlich unkontrollierter Abgang von Gasen und Schleim aus dem Darm, sowie vereinzeltes leichtes Verschmutzen der Wäsche.

Stuhlinkontinenz Grad II:

Unwillkürliches Entweichen von Gasen aus dem Darm und häufiges, mittelschweres Wäscheverschmutzen. Es kann zum unkontrollierten Abgang von flüssigem Stuhl kommen.

Stuhlinkontinenz Grad III:

Unkontrollierter Abgang von festem Stuhl, flüssigem Stuhl und von Gasen aus dem Darm. Völliger Verlust über die Darmkontrolle.

Die Ursachen einer Stuhlinkontinenz

Das kontrollierte Ausscheiden von Stuhl ist ein sehr komplexer Vorgang. Viele verschiedene Organe und Muskelgruppen sind daran beteiligt, sodass es unterschiedliche Störungen gibt, die als Ursachen für Stuhlinkontinenz gelten.
  • Muskuläre Störungen: Die Schließmuskelschwäche ist eine geläufige Alterserscheinung die zu einer Darminkontinenz führen kann. Bei Frauen kann der Schließmuskel durch Geburten zusätzlich stark beansprucht oder sogar geschädigt werden. Diese Faktoren begünstigen die Entwicklung einer Stuhlinkontinenz.
  • Schädigung des Beckenbodens: Im Alter lässt die Gewebeelastizität nach. Davon kann auch der Beckenboden betroffen sein, der maßgeblich an der Sicherung der Kontinenz beteiligt ist. Auch hier haben Frauen aufgrund ihrer Anatomie einen Nachteil, sodass sie deutlich häufiger von einer Stuhlinkontinenz betroffen sind als Männer. Auch Übergewicht schädigt die Elastizität des Beckenbodens und fördert dadurch die Entwicklung einer Stuhlinkontinenz.
  • Störung der Darmbewegung bzw. Verstopfung: Angeborene oder erworbene Störungen der Darmbewegung können den Darm und die Kontinenz gefährden. Bei weniger als drei Stuhlgängen pro Woche spricht man von Verstopfung. In vielen Fällen liegt eine zu geringe Flüssigkeitszufuhr zugrunde. Die Beschwerden lassen sich durch eine erhöhte Flüssigkeitsaufnahme lindern.
  • Durchfallerkrankungen: Bei Durchfallerkrankungen kann der dünnflüssige Stuhl selbst bei sonst gesunden Menschen den Schließmuskel überfordern und zu Stuhlverlust führen. Chronische Erkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa können den Schließmuskel aufgrund der stark erhöhten Stuhlfrequenz schädigen. In diesen Fällen müssen zunächst die Grunderkrankungen therapiert werden, um anschließend Schäden am Schließmuskel zu behandeln.
  • Neurologische Störungen: Schlaganfälle, Altersdemenz, Tumoroperationen im Beckenraum oder auch Bandscheibenvorfälle können zu Nervenschädigungen im Steuerungssystem der analen Kontinenz führen. Die Grunderkrankung muss auch in diesen Fällen zunächst behandelt werden, um im Anschluss die Kontinenz des Darms durch Stimulierung des Schließmuskels zu verbessern.

Die Diagnose der Stuhlinkontinenz

Basis einer diagnostischen Untersuchung ist ein Anamnesegespräch, in dem Betroffene ihre Krankengeschichte schildern. Daraufhin kann der Arzt oder die Ärztin mit der gezielten Untersuchung des Schließmuskel- und Darmbereiches beginnen um der Darmschwäche auf den Grund zu gehen.

Zunächst unternimmt der Arzt oder die Ärztin eine Austastung des Enddarmes. Dadurch können Schließmuskelkraft, Beckenboden und Aussackung des Enddarmes beurteilt werden. In spezialisierten Arztpraxen kann weiterhin eine Spiegelung des Enddarmes (Rektoskopie) oder des Dickdarmes (Koloskopie) durchgeführt werden.

Eine Druckmessung am Enddarm kann weiterhin eine Diagnose über die Kraft und Schädigung des Schließmuskels ermöglichen. Dabei wird ein Messfühler in den Enddarm eingeführt, der beim vorsichtigen Herausziehen den Druck im Schließmuskelbereich elektronisch misst. Eine Ultraschalluntersuchung dient darüber hinaus einer genauen Lokalisation der Schädigung.

Bildliche Darstellungen können außerdem mithilfe einer Defäkographie im Röntgenbild oder durch eine Kernspintomographie erfasst werden. Sie erfassen auch Veränderungen des Beckenbodens.

Die Therapie bei einer Stuhlinkontinenz

Eine Stuhlinkontinenz kann mithilfe mehrerer Ansätze therapiert werden. Häufig bewirkt bereits eine konservative Therapie ohne Operation eine effektive Linderung der Beschwerden. Dazu gehören zum Beispiel Ernährungsumstellung, Beckenbodentraining oder Toilettentraining. Erst bei besonders schweren Fällen können operative Eingriffe notwendig sein.

  1. Ernährung und Lebensstil
    Eine Veränderung der Gewohnheiten beim Essen kann die Stuhlinkontinenz lindern. Entscheidend ist dabei, einen geschmeidigen Stuhlgang zu regulieren und eine regelmäßige Stuhlentleerung zu erreichen. Ballaststoffreiche Nahrung, wie zum Beispiel Vollkornprodukte, Gemüse oder Hülsenfrüchte, erhöhen das Stuhlvolumen und normalisieren die Konsistenz des Stuhls. Der Verzicht auf blähende Speisen, Kaffee, Alkohol und Nikotin ist ratsam. Auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist zu achten. Regelmäßige Bewegung, wie zum Beispiel Spazierengehen, unterstützt außerdem eine gesunde Darmbewegung.
  2. Beckenbodentraining
    Die Stärkung des Beckenbodens ist ein wichtiger Punkt bei der Behandlung von Stuhlinkontinenz. Durch das Zusammenkneifen des Schließmuskels mehrmals täglich kommt es zu einem gezielten Training der Muskeln im Anal- und Beckenbereich. Somit wird die Haltekraft des Beckenbodens verbessert. Vor allem bei Frauen, die mehrere Geburten hatten oder bei Menschen mit einem geschwächten Bindegewebe hilft das regelmäßige Training, ungewollten Abgang von Stuhl aus dem Darm zu verhindern.
  3. Toilettentraining
    Bei einem Toilettentraining lernt der oder die Betroffene das Erkennen und Steuern seiner Toilettengewohnheiten und Verhaltenstherapie-Techniken. Zum Toilettentraining gehört die Einführung regelmäßiger Zeiten für den Toilettengang. Die Darmentleerung soll zukünftig einmal am Tag und immer zur selben Zeit erfolgen.
  4. Kolonmassage
    Bei einer Kolonmassage wird der Dickdarm regelmäßig, idealerweise morgens, entlang seines Verlaufes massiert oder ausgestrichen. Das stärkt die Bauchmuskulatur und verbessert einen regelmäßigen Stuhlgang.
  5. Elektrostimulation
    Eine Elektrostimulation hilft insbesondere solchen Patient:innen, die Probleme haben ihren Beckenboden und die Schließmuskelspannung wahrzunehmen. Mithilfe eines Biofeedbackgeräts, dass im Analkanal platziert wird und zusammengedrückt werden muss, kann die Schließmuskelfunktion verbessert werden.
  6. Operationen
    Abhängig von der Ursache der Stuhlinkontinenz kann eine Operation den letzten Ausweg oder die einzige Möglichkeit zur Linderung der Beschwerden darstellen. Für die verschiedenen Ursachen der Stuhlinkontinenz kommen individuell verschiedene chirurgische Verfahren zum Einsatz. Operationen tragen Tumore ab, straffen den Beckenboden, reparieren Schließmuskelschäden oder setzten einen künstlichen Schließmuskel ein.

Die Medikamente bei einer Stuhlinkontinenz

Es gibt Medikamente, die bei Stuhlinkontinenz eingesetzt werden können. Ihre Wirkungsweise zielt darauf ab, eine spontane Stuhlentleerung zu verhindern, indem die Stuhlkonsistenz und Stuhlfrequenz verändert werden.

Abführmittel, zum Beispiel in Form von Zäpfchen, entleeren den Darm zu einer bestimmten Zeit. Des Weiteren gibt es Medikamente, die auf Darmmotorik und Flüssigkeitsresorption wirken und so die Kontinenz verbessern. Je nach Ursache und Ausprägung bespricht der Arzt oder die Ärztin mit Betroffenen eine mögliche medikamentöse Therapie.

Der Ablauf des ärztlichen Gesprächs

Wenn sich bei Ihnen Symptome zeigen, die auf eine Stuhlinkontinenz hindeuten, ist ein ärztliches Gespräch ratsam. Erfolgt eine frühe Diagnose, ermöglicht dies einen raschen Beginn der Therapie, was die Heilungschancen verbessert. Außerdem kann dadurch möglichen psychosozialen Belastungen vorgebeugt werden.

Das Anamnesegespräch bildet die wichtigste Basis für Diagnose und Behandlung einer jeden Erkrankung. Sie unterstützen Ihren Arzt oder Ihre Ärztin, wenn Sie sich gründlich auf das Gespräch vorbereiten. Beobachten Sie dazu Ihre Symptome genau und führen Sie ein Protokoll über Darmgase und Stuhlverlust. Ein Stuhlgang-Protokoll mit Angaben darüber, wie viel Sie täglich trinken hilft Ihnen und Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin dabei, Unregelmäßigkeiten zu entdecken.

Der Arzt bzw. die Ärztin wird detaillierte Fragen über Ihre Stuhlentleerungen stellen und nach vergangenen Operationen sowie regelmäßig eingenommenen Medikamenten fragen. Bei Männern wird er insbesondere nach Prostataerkrankungen fragen. Frauen werden in der Regel auf die Regelmäßigkeit der Periode und auf Geburten befragt.

Ansprechpartner bei Stuhlinkontinenz

Ärzte mehrerer Fachrichtungen beschäftigen sich mit Erkrankungen des Darmes und stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite, Ihre individuellen Beschwerden zu therapieren:

  • Proktologie (Enddarm Erkrankungen)
  • Chirurgie (Darm Erkrankungen)
  • Neurologie (Nervenkrankheiten)
  • Geriatrie (Altersheilkunde)

Außerdem können Sie auch Ihren Allgemeinarzt oder Ihre Allgemeinärztin, Apotheker:innen, Physiotherapeut:innen und Pflegefachkräfte ansprechen. Sie geben Ihnen weitere Informationen, stellen Ihnen Hilfsmittel vor und können Ratschläge geben, an wen Sie sich weiterhin wenden können.

Quellen:

Deutsche Kontinenzgesellschaft: Inkontinenz

Ärzteblatt: Stuhlinkontinenz

Wissen in der Box: Stuhlinkontinenz

Bei einer Stuhlinkontinenz verlieren die Betroffenen die Kontrolle über den Austritt von Stuhlgang und/oder Darmgasen.

Die Symptome reichen von gelegentlich unkontrolliertem Abgang von Gasen und Schleim bis hin zu unkontrolliertem Abgang von festem Stuhl.

Ursachen können muskuläre Störungen, die Schädigung des Beckenbodens, Durchfallerkrankungen, Störungen der Darmbewegungen und neurologische Störungen sein.

Nachdem ausführlicher Anamnese, führt der Arzt verschiedene Untersuchungen durch, mit denen er den Ort und die Ausprägung der Schädigung bestimmt.

Ernährungsumstellung, Beckenboden- und Toilettentraining können helfen. In schwereren Fällen kommen Kolonmassagen, Elektrosimulation und als letzter Ausweg Operationen zum Einsatz.

Es gibt Medikamente, mit denen die Stuhlkonsistenz verändert werden kann. Abführmittel tragen zur besseren Kontinenz bei. Medikamentöse Therapien werden mit dem Arzt besprochen.

Proktologie, Chirurgie, Neurologie und Geriatrie therapieren Stuhlinkontinenz. Auch Allgemeinärzte, Apotheker, Physiotherapeuten und Pflegekräfte beraten in solchen Fällen als Ansprechpartner.